Durchs Dröhnland
: Neulich, als John Coltrane die Trapp-Familie besuchte

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Zum Einstieg ins Wochenende der regelmäßige Traditionalisten- Tip. Schon lange nicht mehr dürfte man die Freude gehabt haben, gleich im Doppelpack solch puristischen Street-Punk zu erleben. Eröffnen werden die Public Toys aus Düsseldorf, der eigentliche Hauptact dann Braindance aus dem englischen Norfolk. Das modernste an beiden Bands sind noch längere Haare an jeweils einem Bandmitglied, der Rest ist klassischer Irokese und noch klassischerer Igelschnitt. Die Musik hat einfach vergessen, den 31.12. 77 vom Kalender abzureißen. Hier sind Menschen Ende dreißig aufgerufen, ihren halbwüchsigen Kindern zu zeigen, wie das in ihrer Jugend denn so war.

Morgen, 22 Uhr, K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg.

Und dann noch Kritikers liebste Kinder. Mit denen ist es ja so, daß jedermensch, der sie kennt, ganz außergewöhnlich toll findet, aber leider kennt sie kaum jemand. Oft verbinden diese Bands Stilrichtungen, die nicht vereinbar scheinen, aber wegen intellektueller Spielerei zusammengehören sollten. Das schmeckt den Menschen, die professionell viel Musik hören, weil es mal was Neues ist und sich zudem ganz vortrefflich darüber philosophieren läßt. So auch geschehen mit FSK. Da kommen ein paar Bajuwaren, entdecken mitten im tiefsten mittelwestigen Amerika ihre heimatlichen Klänge wieder, verquicken sie mit den anglophilen Einflüssen ihrer Jugendzeit, und raus kommt tatsächlich die wunderschönste Musike. Dort findet sich als Grundgerüst dann Country und darüber Böhmen, Bluegrass, auch mal Swing, toitsches Liedgut und natürlich viel Bayern. Da treffen Maßkrüge auf Cowboysättel, Sauerkraut auf Barbecue, dicke Zigarren auf mit nur einer Hand Selbstgedrehte, John Coltrane auf die Trapp-Familie, Franz Josef Strauß auf Gwen Guthrie. Diese Mischung machte FSK zu der nichtbritischen Band, die die meisten John-Peel-Sessions sammelte. Erklärte Fans wurden auch Howe Gelb von Giant Sand, Michael Stipe von R.E.M., Michelle Shocked, Steve Wynn vom Dream Syndicate und selbst der allgewaltige Greil Marcus. Die Massen strömen trotzdem nicht. Doch sie sollten.

Am 27.3., 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108–114, Neukölln.

Abteilung: „Ich mag Müll“ (Oscar aus der Sesamstraße). Ja, Trash, das waren noch Zeiten. Als man noch eine Surfband sein, unflätige Witze machen durfte und trotzdem jede Menge Spaß bekam. Im Zeitalter japanischer Kleinwagen und gutsitzender Anzüge haben diese Menschen natürlich ausgespielt, aber sie geben nicht auf. Weil man von den Cramps schon lange nichts mehr gehört hat, seien The Phantom Surfers aus San Francisco ans Herz gelegt. Deren Singles (strictly Vinyl) klingen so scheiße, als wären sie seit den Sechzigern als Küchenteller benutzt worden. Sie spielen nur Instrumentals, die so langweilig sind wie ein Tanzschulen-Abschlußball. Ihre Bühnenklamotten sind geschmacklos, ihr Gehabe peinlich. Wer jetzt vielleicht an die Space Hobos denkt, macht sich keine wirkliche Vorstellung (obwohl die durchaus beim Bewundern im Publikum zu finden sein dürften).

Am 28.3., 21 Uhr, Huxley's Junior.

15 lange Platten lang verfolgt uns Herr Edward Ka-Spel nun schon mit seinen Alpträumen. Die ungezählten Kassetten-Produktionen noch nicht einmal mitgerechnet. Von der Urbesetzung der Legendary Pink Dots ist schon lange niemand mehr außer Ka-Spel dabei, die anderen kommen und gehen, nur die Verschrobenheit des Engländers, der vor zehn Jahren nach Holland auswanderte, bleibt. Es sind böse Gedanken, die Ka-Spel da besingt, sie tragen Titel wie „Madame Guillotine“ oder handeln von Dingen, die nicht von dieser Welt sind: „The Angel Trail“. 1987 meinte Spex schon, „die seltsamste Band der Welt“ entdeckt zu haben, und daran hat sich nichts geändert. Wer mit der bösartigen Lyrik nichts anfangen kann (und das sind seit 15 Platten fast alle), dem wird wohl auch die Musik nicht viel geben. Da tröpfelt es und schwirrt es, der Rhythmus glänzt meist durch Absenz, mal Pluckern, mal gar nichts – wäre man böse, könnte man New Age denken, aber soviel Modernität wäre undenkbar für Freund Edward. Wenn er sich eines erworben hat, dann sicher den Ruf, jenseits aller Moden zu stehen. Die Platten der Legendary Pink Dots sind seine Traumtagebücher, und die teilt er mit einer sehr kleinen, aber halt auch sehr treuen Fangemeinde. Das Kult zu nennen wäre noch untertrieben. Angeblich soll sich in Arizona sogar eine Art Sekte gebildet haben, die jedes Wort von The Prophet Qua-Sepel (wie er dann heißt) studiert und nach der Erleuchtung fahndet. Auf den weniger religiösen Rest wirken die Bemühungen, das Bewußtsein hinter dem Schlaf hörbar zu machen, dagegen meist nur einschläfernd.

Am 27.3., 20.30 Uhr, Loft, Metropol, Nollendorfplatz 5, Schöneberg.

Terry Hoax kommen aus Hannover. Daher, wo eigentlich kulturelles Niemandsland ist. Noch nicht mal einen vernünftigen Dialekt haben sie da. Wahrscheinlich deshalb haben Terry Hoax wenig mit Vorgaben zu kämpfen und sind eine der besten deutschen Bands, wenn es um rasante Klauerei geht. Dabei beschränken sie sich nicht auf einen Stil, sondern plündern völlig schamlos von den Sechzigern bis in die Neuzeit. Da dudelt die Orgel wie bei den seligen Doors, trällern halbreife Männerstimmen Beatles- Chöre, verbratzt die Gitarre mal die Siebziger oder wird funkenstobend, Lagerfeuerromantik beschwörend, akustisch angeschlagen. Auf ihrer neuen Platte haben sie endgültig den Hardrock entdeckt, aber auch der wird angegangen, als wäre er zwischen Hannover und Braunschweig erfunden worden. Der letzte Mut fehlt ihnen allerdings, peinliche Ausrutscher vermeidend, überschreiten sie niemals wirklich die Grenzen des guten Geschmacks. Geradezu krampfhaft spielen sie nach allen Seiten abgesichert, und schon fast wieder zu brav, um in den Charts nach oben zu schießen. Terry Hoax hören sich zu sehr nach Erfolg an, um den wirklich haben zu können. Was aber nicht heißt, daß sie nicht trotzdem eine ganz hervorragende Band sind, die den einen den nötigen Schmalz, den anderen eine stilisierte Dreckigkeit bieten können. Es gibt wahrlich Schlechteres.

Am 30.3. mit Big Light, 20 Uhr, Huxley's Neue Welt Thomas Winkler