: Geteilte Freude, halbes Leid
■ Zum Glück wird in Austria nicht nur Davis-Cup gespielt, sondern auch Fußball
Jetzt geht's los: Michael Stich trifft heute auf Horst Skoff, Marc- Kevin Goellner auf Thomas Muster. Deutschland spielt gegen Österreich. In Graz, Davis-Cup- Vorrunde. Die Halle ist ausverkauft (11.000 Zuschauer). Wer verliert, ist dem Abstieg aus der Weltgruppe ein Stückchen näher. Cordoba-Revival? Länderspiel- Stimmung? Bruderkampf? „Iwo“, wiegeln die Spieler ab. Wie sollen sie sich auch mit Feindbildern herumschlagen? Zu sehr sind sie damit beschäftigt, Eierkuchen im eigenen Team zu backen. Vor allem die Gastgeber. Es ist beileibe kein Geheimnis, was Alexander Antonitsch daherplappert: „Wir sind mit den deutschen Spielern besser befreundet als mit den österreichischen Kollegen.“
Muster/Skoff/Antonitsch – eine Zweckgemeinschaft, die nur einem Herren dient, dem Mammon. Jahre spielte das Tennis-Trio infernale boulevardesk gegeneinander, jetzt schillingophil miteinander. Vorbei die Zeit der Liebkosungen („Ochs“, „Oarsch“). Servus rot-weiß-rote Seifenoper („Muster mag mich nicht, weil ich seine Ex-Freundin geheiratet habe“ [Antonitsch] – Retourkutsche Muster: „So gut war sie auch nicht“), wenn auch die herzige Beziehung der tennisspielenden Haudraufs Sport Zürich immer noch zu Hollywood on Ice inspirierte: „Kerrigan und Harding haben mehr Gemeinsamkeiten als die Österreicher.“
Herz, Schmerz und dies und das. Was soll's. Mit bis zu drei Millionen Mark Reingewinn rechnet der Österreichische Tennis-Verband. Verbleiben werden den Funktionären mickrige 100.000 Märker. Den größten Teil der Davis-Cup- Sachertorte hat sich Muster zurücklegen lassen. Das komplizierte Vertragswerk der eigens zur Friedensstiftung gegründeten Tennis- Davis-Cup-Gmb, in der Hauptsache eine Erfindung des findigen Muster- und Ex-Skoff-Managers Ronald Leitgeb, sichert dem monegassischen Sandhasen alpenländischer Abstammung („der Österreicher ist gern überall präsent“) für den größten anzunehmenden Fall (zwei Punkte im Einzel) über zehn Millionen Schilling. „Alpen- Boris“ tauften ihn die flachländischen Nordlichter, was die Nummer eins von Felix Tennis-Austria gar nicht gerne vernimmt: „Mit diesem Menschen habe ich nichts gemein“ (Sports), proletete er in schlechtester Herrenmenschen- Ideologie gegen den „B-Schicht- Deutschen“ Becker.
Um ansonsten laut zu tönen, daß er Gegner nicht zu „hassen“, sondern zu „besiegen“ beliebe. Das Wochenend-Spielchen sei schon „etwas Besonderes“, verlautete die so geschätzte number one des gegnerischen Teams. Das „mediale Getöse“ empfand Stich indes als „ein bißchen übertrieben“. Horst Skoff nannte die deutsche Yellowpress „letztklassig“, die ihrerseits mit dem Finger auf das „Haß-Team“ gezeigt hatte, das sich gegenseitig die Frauen wegnähme. Kein Wunder sei's, drosch Skoff am Rande des Sandplatzes auf die schreibenden Piefkes, daß in Deutschland ausländerfeindliche Attentate verübt würden, wenn Medien derart Haß schürten.
Aufschlag, return. Punkt für, ja, für wen wohl? „Es färbt sich das Gesicht rot, die Schläfen treten hervor, die Hände verkrampfen sich, zwischen zusammengebissenen Zähnen zischen sie: ,Heute zeigen wir's Euch.‘“ Dergestalt mit dem Hans-Krankl-Virus versehen, läßt das Magazin Wiener Paul und Paula Austria auf der Fernsehcouch bei den Sandkastenspielen gegen den „Erzrivalen Deutschland“ mitfiebern. Da kann Thomas Muster noch so vollmundig den Nationalismus ignorieren („Ich bin Individualist“), das Zeitgeist-Journal muß den Geist der Zeit beweinen („man nimmt uns nicht ernst“), dessen Geburtsstunde psycho-historisch versierte TV-Kommentatoren vom argentinischen 1978 ins 18. Jahrhundert zurückverlegen: Die „offene Rivalität um Machtpositionen in Mitteleuropa“ sei schuld an den (un)sportlichen Aufgeregtheiten 300 Jahre später.
Die beste Therapie gegen kollektive Minderwertigkeitskomplexe sind Siege. Sieger wie Casino Austria Salzburg werden gehätschelt (Kurier: „ein bisserl Schadenfreude“ müsse sein). Siegreiche Trainer, Otto Baric, auf Titelblätter gehievt (news). Der Chauvinismus dank der Terminnähe von Tennis und Fußball-Europapokal (drei Tage später gegen den Karlsruher SC) halbiert. Geteilte Freude, halbes Leid. Cornelia Heim
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