Unterschriften gesucht!

Zeit für eine neue Ehrenerklärung: Was Herrn Zitelmann recht ist, kann Herrn Millies nur billig sein  ■ Von Elke Schmitter

Merkwürdige Dinge geschehen in der Medienwelt: Da proben über fünfzig Redakteure aus der ebenso reaktionären wie marginalen Springer-Welt den Aufstand gegen nationalkonservative Führerfiguren im eigenen Haus. Der Herr, um den es unter anderem geht – Chef der „Geistigen Welt“, Rainer Zitelmann, bei Nolte promovierter Historiker und seinem Selbstverständnisse nach ebenso Wissenschaftler wie Journalist, also dem Wort in seiner freiesten und der Wahrhaftigkeit dienenden Verwendung doppelt verpflichtet – setzt nun nicht die entstandene Debatte fort, argumentiert, streitet und schreibt. Sondern formuliert eine „Ehrenerklärung“ und übersendet dieselbe KollegInnen zur Unterschrift – Menschen also, die, abgesehen von der politischen Ausrichtung ihrer Meinungen, vor allem davon leben, daß es ihre eigenen sind: Intellektuelle werden dafür bezahlt, daß sie entweder eigene Ansichten haben oder aber die allgemeinen wenigstens individuell formulieren. Hier aber, bei der aus vergangenen Jahrhunderten stammenden „Ehrenerklärung“, genügt plötzlich die Unterschrift: Zitelmann? Ein Ehrenmann! Und Schluß der Debatte.

Dieses Beispiel könnte Schule machen und würde manches abkürzen. Leidige Diskussionen darüber, ob Heiner Geißler nun eigentlich ein Wolf im Schafspelz oder ein Schaf im Wolfspelz sei: eine Ehrenerklärung – und fertig! Ist Hans Magnus Enzensberger ein paranoider Kleinbürger geworden, ein menschenverachtender Gedankenfürst, und gilt dasselbe womöglich für Wolf Biermann und Botho Strauß? Her mit der Ehrenerklärung! Von Walter Jens über Günther Grass bis hin zu Peter Glotz könnten alle Intellektuellen, die mehr Gedanken als Zeitungsseiten haben, ihre ubiquitäre Meinungsführerschaft aufwandsarm effektivieren. Daß es mit Ausnahme der Witwe Brandt sich nur um Männer handelt, stimmt mit der militären Provenienz der „Ehrenerklärung“ prima zusammen; womöglich gibt's auch bald wieder Duelle. Statt Naphta und Settembrini nun Biermann und Glotz am Waldesrand im Morgengrauen, sekundiert von Kowalski und Fichter: ein unheimlich schönes Bild.

Ein möglicher Kandidat für eine neue „Ehrenerklärung“ hat sich nun per Rechtsanwalt bei der taz gemeldet: Andreas Millies, Chefredakteur der Zeitschriften Petra und Für Sie. Ein Artikel über seinen ungewöhnlich deutlichen Führungsstil, verbunden mit reportierten frauenfeindlichen Praktiken (Ulla Küspert in der taz vom 8.3.), erregte des Herrn verständliches Mißvergnügen. So erfuhren wir nun erstmals, daß Herr Millies nicht – wie schon 1993 vom Medienmagazin Kontakter und der taz berichtet – eine Mitarbeiterin angefaucht habe mit den Worten: „Nimm mal deine Titten aus dem Bild, ich kann nichts sehen.“ Bisher wurden diese Veröffentlichungen unwidersprochen hingenommen. Jetzt wehrt sich Herr Millies dagegen, und selbstverständlich glauben wir ihm gern, daß er das nicht gesagt hat. Weiterhin haben wir uns verpflichtet, zu unterlassen zu behaupten, Herr Millies umgebe sich mit Sex-Nippes, ihm hätte bis vor kurzem eine Puppe in Dessous als Aschenbecherhalter gedient, er schätze zum Schreiben Kugelschreiber, die per Knopfdruck eine nackte Frau zeigten, oder Stuhlkissen in der Form von Brüsten als Sitzauflage. Allerdings wurde von uns nicht verlangt, die Behauptung zu unterlassen, Herr Millies habe Petra-Moderedakteurinnen tituliert als „ungeile Modetussis, die sowieso keiner fickt“ – und insgesamt wurde der Darstellung der taz keineswegs widersprochen, weshalb wir, mit den entsprechenden schmalen Schwärzungen, den Artikel „Frauenbrüste im Chefsessel“ guten Gewissens zur wiederholten Lektüre empfehlen. Sie sehen dann den Chefredakteur einer Frauenzeitschrift vor sich, dessen eigenwillige Sichtweise der Weiblichkeit Gegenstand betrieblicher Auseinandersetzungen wurde und dessen Umgangsformen seiner Karriere bisher erkennbar nicht schadeten: Es herrsche, so MitarbeiterInnen, nach wie vor ein „rotzfrecher, frauenverachtender Ton“, und in Konfliktfällen brülle Millies die Frauen schlicht nieder. (Auch das dürfen wir noch schreiben.)

Wie aber weiter? In Anlehnung an die Formulierung des Herrn Zitelmann empfehlen wir Herrn Millies, die folgende „Ehrenerklärung“ an seine Kollegen in der Zeitschriftenwelt zu verschicken: „Mit Empörung haben wir der ,taz‘ entnommen, daß vor dem Hintergrund interner Auseinandersetzungen in den Zeitschriften Petra und Für Sie unser Kollege Andreas Millies in die Nähe von Sexismus und Frauenfeindlichkeit gerückt wird. Aus langjähriger Kenntnis seiner Person und seiner Tätigkeit als Chefredakteur von Playboy, Bild und Funk, Meine Geschichte und anderer für die Erhaltung von Meinungsfreiheit und Demokratie dringend notwendiger Presseerzeugnisse bei den Verlagen Bauer, Axel Springer und dem Jahreszeiten-Verlag wissen wir, daß es sich bei Andreas Millies um einen Chef und Journalisten handelt, der seine ganze berufliche Erfahrung zur kompromißlosen Verteidigung der Gleichberechtigung gegen Angriffe von innen wie außen eingesetzt hat. Die Unterzeichner sind von der erotisch-moralischen Integrität von Andreas Millies überzeugt und bekunden mit dieser Erklärung ihre Solidarität.“ Ich unterzeichne als erste. Versprochen.