Streit in der SPD um Atommeiler Biblis

Hamburger Umweltsenator Vahrenholt auf Töpfer-Linie / SPD-Bundestagsfraktion, Bündnisgrüne und Umweltschutzgruppen fordern umgehende Stillegung des Atomkraftwerks  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz/AP) – Nach dem neuerlichen Störfall im Kernstück des AKWs Biblis, Block A hat der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion in Bonn, Michael Müller, Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) aufgefordert, dem 20 Jahre alten „Pannenreaktor“ endlich die Betriebsgenehmigung zu entziehen. Drei Störfälle alleine in den letzten drei Wochen seien Beleg genug für die Berechtigung dieser Forderung, sagte Müller, der vor einer „gewaltigen und unverantwortlichen Katastrophe“ warnte, falls es im dichtbesiedelten Rhein-Main- Gebiet zu einem großen atomaren Unfall kommen sollte. Dagegen sprach sich der Hamburger Umweltsenator Fritz Vahrenholt (SPD) im Saarländischen Rundfunk dafür aus, den Störfallreaktor Biblis A nicht abzuschalten. Die „Übertreibung von kleinen Störfällen“, so Vahrenholt, sei „nicht der richtige Weg zum Ausstieg aus der Kernenergie“. Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) wollte sich gestern noch nicht festlegen, ob es sich bei dem (vorerst) letzten Störfall in Biblis A – Leckage im Primärkreislauf – tatächlich nur um einen „kleinen Störfall“ handelte. Töpfer will zunächst den Bericht der hessischen Atomaufsicht abwarten. Seine Reaktion, so Töpfer werde sich „auch in diesem Fall“ auf die Erkenntnisse von Gutachtern stützen. Der Staatssekretär im hessischen Umweltministerium, Rainer Baake (Bündnis 90/ Die Grünen), hatte bereits am Mittwoch abend davor gewarnt, den Störfall auf die leichte Schulter zu nehmen. Immerhin habe es sich um eine Leckage im Primärkreislauf, dem „Herzstück der Anlage“ gehandelt – und das nach der Jahresrevision des Reaktors. Aus dem hessischen Umweltministerium kam schon am Mittwoch die Verfügung, daß der Reaktor ohne Zustimmung der Aufsichtsbehörde nicht wieder ans Netz gehen dürfe. Die Leckage ist für die SPD-Fraktion im hessischen Landtag Anlaß, die Frage nach der „Rißfestigkeit“ des gesamten Rohrleitungssystems bei Biblis A zu stellen, sagte der Abgeordnete Frank Beucker gestern in Wiesbaden: „Im Unterausschuß Atomanlagen muß die Frage geklärt werden, ob solche Leckagen wegen des hohen Alters von Biblis A auch an anderen Rohrleitungen auftreten können?“

Der Bundesvorstand von Bündnis 90/ Die Grünen forderte Töpfer gestern auf, dem hessischen Umweltminister Joschka Fischer „freie Hand“ zu geben, damit der den Reaktor „endlich aus dem Verkehr ziehen“ könne: „Es darf nicht passieren, daß Hunderttausende von Menschen wegen der teutonischen Hybris renditesüchtiger Dummköpfe in Chefetagen und Ingenieurbüros verstrahlt werden.“ Auch die Umweltschutzorganisation Robin Wood forderte die „sofortige Stillegung“ von Biblis A.

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