Aus den Niederungen des Fußballsports
: Fünftklassige Pokalsieger?

■ Neue Ligen bringen die Amateure mächtig durcheinander

Hamburgs Fußball-Welt ist in heller Aufregung. Diesmal sind es allerdings nicht die „Großen“, die mit Halb-Profis um die „Ehre“ in der Oberliga spielen, sondern die wirklich „Kleinen“, von der Verbandsliga bis zur Kreisklasse.

Grund dafür ist die am Donnerstag vom Beirat des Norddeutschen Fußball-Verbandes beschlossene Einführung der Oberliga Hamburg / Schleswig-Hol-stein. Diese Liga soll bereits ab der Saison 1994 / 95 als Unterbau zur jetztigen Oberliga (heißt dann Regionalliga und spielt mit 18 Vereinen) eingeführt werden. Acht Teams aus Hamburg und acht aus Schleswig-Holstein spielen dann in einer Klasse zwei Aufsteiger und (mindestens) zwei Absteiger aus.

So hat die jetzige Saison eine völlig neue Brisanz gewonnen. Denn nur die ersten acht Teams der heutigen Verbandsliga können sicher sein, auch im nächsten Jahr viertklassig zu sein. „Es wäre doch ein Unding, wenn der amtierende Hamburger Pokalsieger plötzlich in der 5. Liga spielen würde“, schimpft unter anderen Rasensports Trainer Eugen Igel. Denn sein mit Vorschußlorbeeren in die Saison gestartetes Team belegt derzeit nur Platz neun, erwartet zu allem Überfluß heute Nachmittag auch noch Bergedorf 85.

Der „Schnellschuß“ des Fußball-Verbandes hat einen einfachen Grund: Es geht ums liebe Geld. Aus dem Fernseh-Topf, den der DFB vor zehn Tagen mit den öffentlich-rechtlichen Sendern aushandelte, kann jeder Oberligist 22.000 Mark pro Saison erwarten. Gäbe es nun keine Oberliga, gäbe es auch kein Geld - und ein Aufstiegsrecht der Verbandsligisten in die Regionalliga sowieso nicht. „Wir mußten so schnell handeln“, sagt HFV-Präsident Dr. Friedel Gütt.

Ganz ausgegoren erscheint die Neuregelung allerdings noch nicht. Auf- und Abstiegsmodus muß in der nächsten Woche erst genau erarbeitet werden. Sicher erscheint, daß die Zahl der Absteiger nicht reduziert wird, Vereine wie Horner TV und Komet Blankenese steigen also quasi zwei Klassen tiefer. „Aufstieg geht vor Abstieg“, sagt Gunter Christlieb, Geschäftsführer des Hamburger Fußball-Verbandes. So könnte der Fall eintreten, daß der Meiendorfer SV demnächst in der Landesliga spielt, während Rot-Gelb Harburg die Verbandsliga bereichert. Ob das gerecht ist...?

Noch schlimmer ist die Situation in den unteren Ligen. „Ich weiß gar nicht, ob ich lachen oder weinen soll“, sagt Christian Wriedt, Trainer der II. Liga von HEBC. Der Aufstieg in die Bezirksliga scheint nach dieser Entscheidung nun fast sicher zu sein und damit das Saisonziel erfüllt, dennoch bleibt die Mannschaft auch in Zukunft siebtklassig. Und der Reiz, eine von 22 Mannschaften zu sein, die den Aufstieg geschafft hat, ist auch eher zweifelhaft.

In zwei Jahren kann alles aber schon wieder ganz anders aussehen. Da könnte es nach der diesjährien Aufstiegsflut einen riesigen Abstiegswall geben. Denn dann - so wünscht es sich der DFB - sollen die Regionalligen Nord und Nordost zusammengelegt werden. Dann gibt es plötzlich vielleicht acht Absteiger aus der Oberliga, und die Talfahrt setzt sich bis in die Niederungen des Amateur-Sports fort.

Dann dürfte das Chaos im Hamburger Fußball endgültig perfekt sein.

Nobby Siegmann