Kein graues Wohnen

■ Eine Begrünungsaktion soll die grauen Neustädter Fassaden neu einkleiden

Eben erst ist Susanne Heer in die Stadt gezogen - da kam ein Handzettel in ihrem Briefkasten an: Robin Wood und die „Planungsgruppe vor Ort“ bieten Hilfestellung bei der Begrünung trister Wohnhäuser in der Neustadt - Bezahlung aller Unkosten inklusive. Susanne Heer wohnt mitten im Verkehrsrauschen, und da kam das Faltblatt gerade recht. Sie ging gestern hin, zur Vorführaktion vor dem Büro von Robin Wood: die InitatorInnen wollten selbst mit bestem Beispiel vorangehen. Jetzt weiß Susanne Heer wie–s geht - aber leider auch, daß sie erst einmal ihre Vermieterin fragen muß, bevor Kletterpflanzen ihr den Blick in die Außenwelt - auf die Langemarckstraße - erträglicher machen.

„Natürlich sind unsere Themen sonst grundsätzlicher“, erklärt Robin Wood-Geschäftsführerin Djoeke Lueken. Wo sich ihr Verein gegen die Luftverschmutzung einsetzt, werden auch sonst Bremer Themen berührt: der Weser-Tunnel-Bau etwa oder die „Weser-Abfluß-Fahrten“, die auf Verschmutzungen und ihre Verursacher hinweisen.

Der Charakter der Begrünungsaktion ist dagegen ein ganz anderer - „da wollen wir zeigen: Ihr könnt im kleinen Bereich selber was tun! Das muß man nicht hinnehmen, daß das alles so trist und verkehrsbelastet ist.“ Vier Interessierte haben geantwortet, seit die Infos Anfang der Woche verteilt wurden, aber alle Häuser um die Hohentor- und die Große Annenstraße werden sich wohl kaum plötzlich in Grün zeigen: zuviele Vorurteile herrschten hier, daß die Begrünung Schäden verursache. Im Faltblatt wird dagegen richtiggestellt, daß Kletterpflanzen die Fassade sogar vor Witterungseinflüssen schützen.

Die Arbeit selbst sei schnell getan: eine Gehwegplatte ausgehebelt - darunter ein Loch gebuddelt, mit einem Schamottrohr abgesichert und das Pflänzchen hineingesetzt. Im Sommer rankt sich die Pflanze dann schon bis zum ersten Fenster hinauf und später muß stadtmensch nur noch nachsehen, ob sie Kletterhilfen braucht oder etwa gerade dabei sei, in ein Fenster hineinzuwachsen.

Die „Planungsgruppe vor Ort“ weist darauf hin, wie außerordentlich „verlärmt“ die Straßenzüge im Neustadtviertel sind. Hinzu kommt ein Versiedelungsgrad von 90% - da bleibt wenig Platz für Vor- oder Hintergärten. Die besondere gesundheitliche Belastung der Anwohner sei in einem Gutachten des Gesundheitssenators schon festgestellt worden. Verwunderlich, warum der Antrag für ein bißchen mehr Grün für das graue Stadtviertel trotzdem gut drei Jahre brauchte, bis aus dem Bremer Lottotopf die Gelder flossen - so alt ist die Idee nämlich schon. bettina stang