Mit Tabak gegen dicke Luft

■ Ein Projekt der WWF will SchülerInnen bundesweit anhand von Tabakpflanzen die Ozonbelastung der Luft nahebringen / Wenn die zarten Pflänzchen braun werden, lernen die Kinder Umweltprobleme hautnah

Mit Tabak gegen die Schadstoffbelastung der Luft vorgehen? Ein Ding der Unmöglichkeit, sollten eingefleischte NichtraucherInnen meinen. Doch der „World Wide Fund for Nature“ (WWF) will genau das erreichen. Nicht der blaue Qualm der getrockneten Tabakblätter steht dabei im Vordergrund, sondern die äußerst sensiblen Tabakpflanzen. Sie soll im kommenden Sommer als „Bioindikatoren“ bundesweit auf das Problem der Ozonbelastung in den Städten aufmerksam machen.

„Die WWF-Ozon–Kampagne“ heißt das Programm des Umweltschutzverbandes, und es soll das Problem des Giftgases in Bodennähe vor allem Jugendlichen in Schulklassen und Jugendgruppen nahebringen. Die können beim WWF in Bremen, Abteilung Umwelterziehung, für 12 Mark ein ganzes Paket bestellen, das neben allgemeiner Informationen zum Thema Ozon, Broschüren zum Umweltschutz und didaktischer Hilfe für die LehrerInnen auch zwei Samentüten enthält: „Nicotiana tabacum BEL-W 3“ und „Nicotiana tabacum BEL–B“ heißen die Zeigerpflanzen, die vom Umweltnachwuchs im April gepflanzt und über die nächsten Monate gehegt und gepflegt werden sollen. Nach acht Wochen ist die Schonzeit für die Pflanzen vorbei, und sie kommen an die im Sommer eben immer häufiger nicht mehr ganz so frische Luft. Je höher und je intensiver der Ozongehalt, desto schlechter geht es den Pflanzen: auf ihren grünen Blättern zeigen sich deutlich die braunen Spuren des für sie und für Menschen giftigen Ozons. Die Schädigung der Pflanzen sollen die SchülerInnen dann in Tabellen eintragen und ihre Ergebnisse an den WWF in Bremen melden.

„Bioindikatoren sind eine Art der Luftwertemessung, die eine genaue technische Analyse nicht ersetzt, aber ergänzt“, sagt Ernst Zachow vom WWF. Ziel der Kampagne sei es, den SchülerInnen das Bewußtsein für das Problem hautnah zu vermitteln und die Gefahr durch Ozon deutlich erfahrbar zu machen. Wenn die Analysebögen ausgewertet sind, sollen die Jugendlichen auch weiter an dem Problem arbeiten und die Hintergründe der Luftverschmutzung kennenlernen. Im Sommer will der WWF dann mit der Aktion „Verkehrte Welt“ auf den Hauptverursacher des Sommersmogs, den Autoverkehr, hinweisen. Im letzten Jahr fand die Aktion eine Resonanz von 500 zurückgesandten Bögen, diesmal verschickt der WWF zehnmal soviele Pakete.

Gerade ist in Bonn eine neue Sommersmog-Verordnung in Kraft getreten, die für die Vorläufersubstanzen des Ozon, Stickoxid, Benzol und Ruß, Obergrenzen festschreibt. Die autofreundlichen Grenzwerte in dieser Verordnung können durch die Länder konkretiosiert und möglicherweise verschärft werden, meint Zachow. Bisher hat dies aber nur Hessen getan. Nach der bundesweiten Änderung des Bundes-Immissionschutzgersetzes können Städte und Gemeinden ab Sommer 1995 Straßen oder ganze Stadtteile sperren, wenn dort die Ozonbelastung zu hoch wird.

Dabei schädigt das Ozon, das fatalerweise in der Stratosphäre abnimmt und im bodennahen Bereich, also in Höhe der menschlichen Lungen, zunimmt, Mensch und Umwelt ganz direkt: Es führt im Sommer zu Lungenreizungen, Hautbrennen und gefährdet die Gesundheit von Kranken, Alten und Kindern. Die werden bei schönem Wetter immer häufiger zuhause eingesperrt, weil der Verkehr die Ozonwerte gefährlich hochtreibt. Paradox bei der Ozonproblematik ist auch, daß die Belastung durch das Gas oft an vielbefahrenen Kreuzungen niedriger ist als im Grünen, weil durch die Autoabgase das Ozon auch schneller wieder abgebaut wird.

Diese Zusammenhänge sollen die SchülerInnen nach Ansicht des WWF mit der Kampagne verstehen lernen. Daß sie die Tabakpflanzen, die für das ernste Studium der Luftreinheit bestimmt sind, in selbstgedrehte Rauschmittel umfunktionieren, das befürchtet Zachow nicht. „Uns wurde versichert, daß diese Tabakart ungenießbar ist. Und wer es dennoch probieren will, der hat mit Ernten, Trocknen und dem Entfernen der bitteren Substanzen soviel Arbeit, daß er sich lieber Zigaretten im Automaten kauft.“ bpo

Für weitere Informationen und zur Bestellung der Mappe: WWF Fachbereich Umweltbildung, c/o Ökologiestation, Am Güthpol 9, 28757 Bremen, Telefon 658 460