„Diese orientalische Geduld“

■ Fortschritte beim Gezerre um die Bremer Kunstschätze: Rußland will evtl. die 364 Baldin-Bilder zurückgeben

Am Mittwoch und Donnerstag fand in Moskau die erste Sitzung der Großen deutsch-russischen Rückführungskommission statt. Damit haben die jahrelangen Verhandlungen um die verschleppten Bremer Kunstschätze eine neue Stufe der Zählebigkeit erreicht.

Neben dem Außenminister Kinkel war auch die Kultursenatorin Trüpel dabei, um die Sache der Bundesländer zu vertreten, und nach ihrer Rückkehr konnte sie gestern berichten, daß die Dinge um mindestens zehn Zentimeter vorangekommen sind: Die Rückgabe der sogenannten Baldin-Bilder ist wieder einmal in den Bereich des Erdenklichen gerückt. Die russische Rückführungskommission hat nämlich erstmals mehrheitlich empfohlen, die 364 Blätter an die Bremer Kunsthalle zurückzugeben, und Präsident Jelzin bezog sich darauf noch einmal ausdrücklich in einem Schreiben an Bundeskanzler Kohl.

Die Empfehlung der Kommission ist aber nur eine notwendige, keine hinreichende Bedingung. „Wenn es überhaupt gut ausgeht, wird es lange dauern“, sagte Helga Trüpel und verwies auf die „orientilische Geduld“ der anderen Seite. Zudem seien nach wie vor die Verhandlungspositionen der Russen jeweils stark von den politischen Kräfteverhältnissen abhängig.

Im Mai oder Juni wird sich eine gemeinsame Arbeitsgruppe um die Modalitäten bemühen, gegen Ende des Jahres folgt eine weitere Sitzung der Großen Rückführungskommission, diesmal irgendwo in Deutschland.

Es macht die Sache nicht leichter, daß man in Rußland angefangen hat, die Sache juristisch säuberlich zu zerlegen: Man unterscheidet mittlerweile zwischen Bildern, die sich rechtmäßig, und Bildern, die sich unrechtmäßig in Rußland aufhalten. Die einen sind den alten Kriegsverbrechern ordnungsgemäß von der Roten Armee abgenommen worden, die andern haben sich einfach unbefugte Privatsoldaten unter den Nagel gerissen.

Daß in die letztere Kategorie auch die Bilder des Viktor Baldin fallen, fügt sich glücklich für die Bremer Kunsthalle. Aber insgesamt werden die Verhandlungen von den Fragen der Rechtmäßigkeit wohl eher noch einmal verlangsamt werden.

So gibt es für die 101 Bilder aus bremischem Besitz, die seit einem Jahr in der deutschen Botschaft in Moskau auf Eis liegen, weiterhin keine Lösung. Das gleiche gilt für die 129 Bilder in der Petersburger Eremitage. Wohl aber könnte es 1995 eine gemeinsam finanzierte Ausstellung geben, bei der dann womöglich auch der „Schatz des Priamos“ vertreten wäre. Diese Reichtümer hat seinerzeit Heinrich von Schliemann mitsamt dem alten Troja ausgegraben, welches nun auch nicht eben auf deutschem Boden gelegen war. Bislang lagert der Schatz teils in der Eremitage, teils im Moskauer Puschkin-Museum.

Immerhin haben jetzt vereinbarungsgemäß Experten beider Länder freien Zutritt zu allen Museen, um die Lage zu klären. Auch die Bremer Arbeitsgruppe, die sich um den Verbleib russischer Kulturgüter im Westen kümmert, forscht weiter. Allerdings hat die amerikaische Besatzungsmacht der Sowjetunion nach dem Krieg bereits 500.000 von den Nazis geraubte Objekte zurückgegeben. schak