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Freudenfeuer der Eitelkeiten

■ Das (Selbst-)Porträt im Wandel der Zeiten: Die Kunsthalle zeigt „Über die Strenge“, eine Schau mit 150 Charakterköpfen aus Kunst, Musik und Literatur

Wie er lacht, der Künstler; wie er grinst, die Zähne fletscht, mal schmollt und mal greint: Vom Mienenspiel seines eigenen Gesichts konnte Lovis Corinth gar nicht genug bekommen. So hat er seine Ausdrucksstudien allesamt auf einem Blatt vereint. In der Mitte aber prangt das Bildnis des Künstlers als Künstler, mit keck erhobenem Stift, festen Blickes den Betrachter musternd. So sah sich der Meister gern; und so sehen wir ihn heute: Das Blatt gehört zu den schönsten Stücken einer neuen Ausstellung über Künstlerporträts, die ab Sonntag unter dem Titel „Über die Strenge“ in der Bremer Kunsthalle läuft.

Das Blatt von Corinth hat symptomatischen Charakter für die Sonderform des „Künstlerporträts“. Denn im Selbstbildnis kommt nicht, wie oft vermutet wird, „einmal“ der wahre Charakter zu Vorschein, Augenring für Augenring; hier verbildlicht sich vielmehr die Idealvorstellung des Künstlers von sich selber – als Grübler, als Zauderer, als Genie, Wahnsinn usw., je nachdem.

So ziehen die Charakterselbstdarsteller nun Kopf für Kopf an den Betrachtern vorbei, als eine große Nabelschau menschlicher Eitelkeiten. Nicht ganz zufällig stellt sich Max Beckmann gern inmitten einer schäbigen Theaterkulisse dar: Im Welttheater mochten die Künstler gern eine tragende Rolle mitspielen. Daß die Charakterrollen hier in besonderer Vielfalt zu erleben sind, ist dem inneren Reichtum der Kunsthalle zu verdanken. Gut 200 Prachtexemplare des Genres hat das Haus gesammelt; drei Viertel davon sind jetzt ausgestellt – zum größten Teil Werke, die erstmals aus den ungesehenen Tiefen des Magazins heraufdämmern.

Die prachtvollen Gesichter laden natürlich, auf den ersten Blick, zum Psychologisieren ein. War Corinth nicht wirklich die Saufnase, die uns im Bilde erscheint? Und Beckmanns kantiger Kopf zeigt doch wohl klar, was für ein Dickschädel der Meister war...

Von solchen Allerweltsdeuteleien will Kurator Andreas Kreul den Betrachter allerdings nachhaltig abraten. Um zu demonstrieren, wie das Porträt immer auch als Projektionsfläche eigener Wunschbilder diente, hängen neben den Selbstbildnissen auch Porträts von Künstlerfreunden, Literaten und Musikern. Und die sehen den Künstlern oft unheimlich ähnlich: Die Porträtierten fungierten „als eine Art Alter Ego des Künstlers“, behauptet Kreul. Und so schaut dann z.B. der Dichter Peter Hille aus, wie ihn Corinth uns ausmalt: ganz die zerzauste, von den Unbilden der Zeit gegerbte Kreatur, als die sich der Maler selber sah.

Ihr eigenes Bild aber konnten die Künstler zu allen Zeiten nur auf Umwegen sehen und darstellen – vermittels eines Spiegels nämlich. Im Gegensatz zum Modell, das dem Maler brav gegenübersitzt, mußten die Künstler sich selbst praktisch um die Ecke sehen und malen. Nach einer Lieblingsthese Kreuls ergibt sich so stets eine Art „blinder Fleck“ im Porträt: Leichte Verschiebungen und Verzerrungen, die jedem Selbstbildnis anhaften – mehr oder weniger deutlich. Um diese Besonderheit sichtbar zu machen, hat sich die Kunsthalle auf einen einfachen, aber genialen Kunstgriff verlegt: Neben einige der Porträts sind mannshohe Spiegel montiert; in ihnen spiegelt sich nun z.B. Max Liebermann, zu guter Letzt, von seiner wirklich wahren Seite. Thomas Wolff

„Über die Strenge – Portäts von allerhand Künstlern“, 27.3. bis 23.5., Kunsthalle Bremen (Am Wall 207); der Katalog kostet 24 Mark

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