Rechtslage im Schwebezustand

■ Wegen „Abschiebungshindernissen“ könnte der Fall der Familie Hanna neu behandelt werden / Der Abschiebetermin wurde um zehn Tage verschoben

Undurchschaubar und verworren schlängeln sich die Pfade des Rechts durch die Asyl-und AusländerInnengesetzgebung. Der „Fall“ der von Abschiebung bedrohten syrischen Familie Hanna, der die katholische Kirche in Grohn Kirchenasyl bierten will, hängt immer noch in der Schwebe. Folgt man vorhergegangenen Gerichtsentscheidungen, hätte die Familie durchaus eine veritable Chance, sich ein Bleiberecht zu erkämpfen.

Derweil schlagen die Wogen der Solidarisierung mit den Hannas höher - und auch die Ausländerbehörde meldet sich zurück: der Abschiebetermin ist verschoben - um genau 10 Tage. Man wolle der syrischen Familie aus Grohn mehr Zeit für die Reisevorbereitungen gewähren und bedaure, keine positiveren Nachrichten vermitteln zu können, heißt es in dem knappen Wortlaut des Schreibens. Im übrigen gebe es keine Widerspruchsmöglichkeit mehr gegen die Ausweisung - der Rechtsweg sei ausgeschöpft, Punkt.

Als nach fast sechs Jahren in Deutschland und einem abgelehnten Asylantrag die Abschiebungsverfügung eingetroffen war, erschien das Kirchenasyl tatsächlich als die letzte Option der bedrängten Familie. Doch inzwischen blinken auch andere Signale: Der Bremer Kirchentag hat sich mit einer Resolution dem Protest gegen die Abschiebe-Androhung angeschlossen; Pfarrer Wolfgang Krzizanowski reichte eine Petition im Landtag ein; und nun meldet sich aus Aurich der Flüchtlingssozialarbeiter des niedersächsischen Regierungsbezirkes Weser-Ems Bernd Tobiassen und weiß von einer weiteren syrischen Familie zu berichten, die nach abgelehnten Asylantrag trotzdem „heute noch hier ist“.

Auch hier wurde für die christlich-syrische Familie, die schon sieben Jahre in Deutschland lebte, eine Petition beim Innenminister vorgelegt. Doch den Ausschlag für die letzendliche Duldung gab eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Oldenburg, das im Eilverfahren eine einstweilige Verfügung gegen die „Einleitung der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen“ - Abschiebung im Behördendeutsch - anordnete. Denn Paragraph 53 des Ausländergesetzes erkennt unabhänig vom Nachweis politischer Verfolgung individuelle Abschiebehindernisse an: die nach Asylgesetz in Deutschland unerwünschte Person muß glaubhaft machen, daß sie im Herkunftsland mit Tod oder Folter bedroht sei. Das treffe für RückkehrerInnen nach Syrien zu, erläutert Tobiassen: auch im Auswärtigen Amt sei inzwischen amtlich, daß am Empfangsflughafen in Damaskus ein Zentrum eingerichtet ist, in dem Folterungen während der Verhöre verdächtiger RückkehrerInnen die Regel sind. Leider würde dieser Paragraph im Rechtsverfahren zumeist nur „stiefmütterlich“ behandelt, klagt der Flüchtlingsarbeiter.

Hannas Rechtsanwalt Armin von Döllen hat ihn derweil nicht übersehen und deshalb im Dezember bei der Ausländerbehörde ein entsprechendes Antragsverfahren für die Gewähr einer „Duldung“ in Deutschland eingeleitet. „Ohne aufschiebende Wirkung“, erläutert Urlaubsvertretung Volker Ohm: So erfolgte der Ausweisungsbescheid, obwohl das Verfahren nicht abgeschlossen war. Rechtsanwalt Ohm hofft nun, eine Wende erreichen zu können, indem er mit erweitertem Material, das er aus den Niederlanden beziehen wird, den Antrag auf Duldung für die Familie Hanna ausführlicher begründen kann.

Doch so individuell die Abschiebehindernisse, so „individuell“ die Rechtssprechung: Das Oberverwaltungsgericht in Bremen ließ sich von den bisherigen Informationen über die Umstände, die die Familie Hanna in Syrien zu erwarten haben, nicht beeindrucken und blockiert damit eine Eilverfügung gegen die Abschiebung.

Wolfgang Krzizanowski warnt deshalb vor verfrühter Hoffnung und hält sein Angebot des Kirchenasyls weiterhin offen. Er findet dabei Unterstützung bei seinen evangelischen KollegInnen: Die Resolution des Kirchentages beinhaltet nicht nur eine „nachdrückliche Aufforderung an den Innensenator“, alle Kräfte für die Familie in Bewegung zu setzen, da der Vater nach seiner Vorgeschichte bei seiner Ankunft in Syrien den Tod zu befürchten habe, sondern auch eine ausdrückliche Begrüßung des Angebots, Kirchenasyl zu gewähren. Bettina Stang