Dritter Brandanschlag in Folge

■ Wieder türkisches Geschäft völlig ausgebrannt / Verfassungsschutz vermutet kurdische Täter

Totalschaden hat in der Nacht zum Freitag der Brandanschlag auf ein türkisches Textilgeschäft in der Hemelinger Bahnhofstraße angerichtet. Am Morgen danach war der Verkaufsraum nur noch mit stinkenden schwarz-verkohlten Stoffetzen bedeckt. Die über dem Laden wohnenden Menschen sind dagegen gerade noch einmal mit dem Schrecken davongekommen. Bis auf den penetranten Brandgestank hat die dicke Betondecke des Ladenlokals ein Übergreifen des Feuers verhindert. Der Anschlag war bereits der dritte innerhalb eines Monats. Zuvor waren ein türkisches Bistro in der Neustädter Meyerstraße und eine türkische Gaststätte in Woltmershausen Ziel von Brandstiftungen (vgl. S.4).

Die Polizei tappt bisher in allen drei Fällen im Dunkeln. „Wir schließen einen politischen Hintergrund nicht aus, aber konkrete Erkenntnisse liegen uns dafür bisher nicht vor“, hieß es gestern aus der Polizei-Pressestelle, „wir ermitteln weiterhin in alle Richtungen.“ Eine Sondergruppe wurde bei der Kripo dafür bisher nicht eingerichtet.

Eine deutlich konkretere Einschätzung hat dagegen Bremens stellvertretender Verfassungsschutz-Chef, Lothar Jachmann. „Wir vermuten ziemlich eindeutig, daß diese Anschläge nicht aus rechtsextremen Kreisen kommen“, sagte er gestern gegenüber der taz. Im Unterschied zur Praxis neo-nazistischer Attentäter habe es in keinem Fall Bekennerbriefe oder Hakenkreuz-Schmierereien gegeben. Außerdem habe der Verfassungsschutz die kleine rechtsextreme Bremer Szene soweit unter Kontrolle, daß im Falle ihrer Verwicklung eigentlich Informationen hätten durchsickern müssen.

Jachmann vermute denn auch eher einen Zusammenhang mit der bundesweiten türkisch-kurdischen Auseinandersetzungen. Allerdings gebe es zumindest im Fall der Woltmershauser Gaststätte auch Hinweise, daß es sich womöglich um einen Versicherungsbetrug gehandelt haben könne. Jachmann: „Wir haben immer wieder diesen Fall, daß Leute eine Anschlagsserie sozusagen als Trittbrettfahrer für ihre eigenen Interessen nutzen.“

Auffällig sind die Parallelen zwischen den drei Brandanschlägen dieses Monats. Alle wurden mitten in der Nacht zwischen ein und drei Uhr verübt. In allen Fällen lagen über den angegriffenen Ladenlokalen normale Wohnungen, deren BewohnerInnen in keinem Fall gewarnt worden waren.

„Ich bin von einem lauten Klirren aufgewacht“, berichtete der Inhaber der Wohnung direkt über dem ausgebrannten Textilgeschäft in der Hemelinger Bahnhofstraße, „und als ich dann aus dem Fenster sah, schlugen schon Stichflammen hoch.“ Nach der Polizei alarmierte er auch alle Hausbewohner, so daß sie auf der Straße warteten, als die Feuerwehr eintraf. Nachdem der Brand gegen vier Uhr gelöscht war, konnten sie in ihre Wohnungen zurückkehren.

Mustafa Tayat, der 33jährige Ladeninhaber, stand gegen fünf Uhr vor den verkohlten Überresten seines vor einem guten Jahr eröffneten Textilgeschäftes. Verkauft hat er dort ausschließlich Ware aus seiner eigenen Textilfabrik in Istanbul, die er in Bremen auch über einen Großhandel vertreibt. Er war vor 14 Jahren aus der Türkei nach Bremen gekommen, um als Arbeiter bei Nordmende das Geld für seine Unternehmen zu verdienen.

„Ich habe keine Feinde, und Drohungen habe ich vor dem Anschlag auch nicht bekommen“, sagte Tayat am Morgen danach. Er könne sich überhaupt nicht erklären, warum ausgerechnet sein Geschäft angegriffen worden war. Die Renovierungsarbeiten bis zur Wiedereröffnung werden nun ungefähr sechs Monate dauern, schätzt Tayats Versicherungsvertreter, Helmut Kühling. Der Schaden von gut 100.000 Mark sei jedoch voll gedeckt, und auch für den Verdienstausfall werde eine Entschädigung gezahlt. Kühling hat mehrere türkische Läden in Hemelingen unter Vertrag. „Wenn das jetzt so weitergeht, kann der Schaden schnell in die Millionen gehen“, sagte er zwischen den stinkenden Überresten des Textilgeschäftes. Dirk Asendorpf