■ Standbild: Die Konstanze
„live“, Thema: „Schindlers Liste“, Do., 22.15, ZDF
Gewisse Talkshows erinnern an das hübsche Aquarium-Testbild: Ganz wie die Fischli ziehen die Eingeladenen bekannte Bahnen, mal nach links, mal nach rechts, und wenn die Moderatoren was Leckres oben reinschütten, witschen kurz alle aufgeregt aneinander, um dann wieder gemächlich vor sich hin zu karpfen.
So hätte es auch am Freitag abend sein können: Der Broder war da, die Frau Mitscherlich, Artur Brauner und der liebe Friedberg Pflüger, CDU. Über „Schindlers Liste“ sollten sie sprechen. Zunächst ließ man den Filmproduzenten Brauner einige eigene Erinnerungen an die Deportationen in Warschau beisteuern, um ihn dann auf die Tatsache zu lenken, daß auch er diesen Film machen wollte, aber von der Filmförderung keine Unterstützung bekam. Die Begründung war übrigens die erste der vielen verpaßten Gelegenheiten an diesem Abend, eine wirklich interessante Debatte zu führen: Laut Brauner hatte man ihm bedeutet, daß so ein „Vater Courage“-Film zu sehr auf ein Individuum konzentriert sei; man wolle mehr Systembeschreibung und weniger Kolportage. Brauner will den Film jetzt erstaunlicherweise immer noch machen, und zwar in zwei Jahren mit Klaus-Maria Brandauer!!!!
Dann kam, was man schon wußte: Pflüger, CDU, der seine Hausarbeiten gemacht hatte, bekannte sich rasch zum Verfassungspatriotismus; Mitscherlich, die seit damals offenbar nicht einen neuen Gedanken ins Allerheiligste aufgenommen hat – und sogar den einen von damals nicht mehr ganz parat zu haben schien: Daß man unfähig sein kann, jemanden zu betrauern, den man nie besonders geliebt hat, wäre zum Beispiel auch eine These gewesen, mit der man die Besonderheiten der Filmrezeption in Deutschland beim Wickel hätte nehmen können. Broder wiederum fand, der Film eröffne doch prima Möglichkeiten für eine Debatte der zweiten deutschen Diktatur, freute sich dann aber gar nicht über Beifall durch Herrn Reginald Rudorf, ohne den die ganze Show zum reinsten Bromid verkommen wäre. Reginald hat sich schon in diversen Publikation um den „Roten Holocaust“ verdient gemacht, dessen 100 Millionen Opfer von FAZ bis taz verschwiegen würden („Die Zahl hab' ich vom KGB!“).
Reginald hätte Broder auch gern beigepflichtet, als der erzählte, wie er wegen des linken Antisemitismus 1981 nach Israel ausgewandert wäre, aber Broder schüttelte den lästigen Verfolger ab: „Wenn Sie das auch finden, gehe ich in die andere Richtung!“ Ach, Schulze- Rohr! Warum habt Ihr da nicht nachgehakt? Die waren sich doch völlig einig!
Der Rest war Kabarett. Rudorf, in Rage geredet, jenningerte in der Fistel: „Der Holocaust ist eine Konstanze in unserem Bekenntnis!“ Mitscherlich fand, daß der Holocaust eine Männerwirtschaft war, als Pflüger aufgefordert worden war: „Seien Sie ein Mann!“, worauf Rudorf zurückschoß: „Soll ich vielleicht sagen: Seien Sie eine Frau?“
Wahrscheinlich ist es schlicht noch zu früh, etwas Intelligentes über die Rezeption von „Schindlers Liste“ in Deutschland zu sagen. Ein paar genauere Fragen könnte man sich aber doch vielleicht vorstellen, und womöglich sogar eine etwas originellere Besetzung. Zum Beispiel: Wie empfinden ehemalige Angehörige der Wehrmacht die Figur von Göth oder die Charakterisierung der SS- Leute untereinander. Was hält jemand, der einmal im Ghetto gelebt hat, von der Szene, in der einige Bewohner vor der Liquidation beieinanderstehen, und einer sagt: „Ich fühle mich hier ganz wohl!“ Was denken russische Soldaten über die Szene mit dem Befreier, der den Juden weder den Osten noch den Westen empfehlen will, sondern das nächste Dorf? Und: Wer heult an welcher Stelle und weshalb genau? Mariam Niroumand
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