Der Herr der Lizenzen

Wolfgang Holzhäuser, einstiger Hippie und Friedensdemonstrant, ist als Ligasekretär des DFB für die Lizenzvergabe zuständig  ■ Von Christoph Biermann

Frankfurt (taz) – Eben ist Reiner Calmund aus der Tür geschlüpft. Der schwergewichtige Manager von Bayer Leverkusen hat sich ein paar Tips für die Abwicklung eines Transfers geben lassen. Drei Millionen Mark und ein Spieler werden demnächst den Besitzer wechseln, da fragt auch der abgebrühte Calmund lieber noch mal nach. Dann klingelt das Telefon, und Rudi Assauer ist dran. Man kann ahnen, warum der Manager von Schalke 04 hier anruft. Schalke 04 hat gegen Lizenzauflagen des DFB verstoßen, um die Liquidität des Klubs sieht es auch nicht gut aus, da stellt sich für Assauer natürlich die Frage: Was tun?

Nach 18 Jahren Berufserfahrung beim Deutschen Fußball- Bund (DFB) weiß Wolfgang Holzhäuser in solchen Fällen oft genug Rat. Und in dieser Rolle sieht sich der 44jährige Ligasekretär am liebsten: „Die Vereine sind unsere Partner und nicht unsere Gegner.“ Wenn manchmal nach außen ein anderer Eindruck entsteht, liegt das daran, daß Wolfgang Holzhäuser auch „Mr. Lizensierungsverfahren“ ist. Den größten und öffentlichkeitswirksamsten Teil seiner Arbeit nehmen nicht die Aufgabenbereiche Spielbetrieb, Spielerbereich, sprich: Transfergeschäft oder die Stadionsicherheit ein, sondern die Kontrolle der betriebswirtschaftlichen Grundlagen der Profiklubs.

Auf so einer Position würde man eigentlich einen blassen Buchhaltertyp mit der Liebe zum Formblatt erwarten und nicht jemanden, der „ganz früher als Hippie auf der Wiese gesessen und für den Frieden demonstriert“ hat und danach von „Willy Brandt und der sozialliberalen Koalition fasziniert“ war. Den Eindruck von Blütenträumen möchte Wolfgang Holzhäuser heute allerdings tunlichst vermeiden. Schließlich ist er Fachmann in seinem Job, gelernter Großhandelskaufmann mit Berufserfahrung, danach hat er Betriebswirtschaft studiert. Er will Kompetenz und Professionalität ohne Krampf vermitteln. In Jackett und Jeans, mit kurzgeschorenem Bart und Designerbrille gelingt ihm das ganz gut.

„Wir wollen weniger kontrollieren und mehr flankieren. Vor allem aber wollen wir niemanden hinauswerfen“, sagt Holzhäuser und lobt das Lizensierungsverfahren. „Es hat dazu beigetragen, daß der deutsche Fußball im europäischen Vergleich wirtschaftlich am besten dasteht.“ Aber richtig zufrieden damit ist auch der Mann nicht, der seit fast zwei Jahrzehnten an der Ausdifferenzierung des Systems arbeitet: „Was die Vereine machen, ist häufig betriebswirtschaftlich völlig irrational. Aber das ist es eben: Sie sind keine Betriebe.“

Da stellen gestandene Geschäftsleute abenteuerliche Finanzpläne mit dem Wechsel auf eine leuchtende Zukunft auf, die so etwas in ihren eigenen Betrieben nie machen würden. Wolfgang Holzhäuser und seine Mitarbeiter untersuchen diese Kalkulationen dann vor allem darauf, ob sie den Verein die nächste Saison überleben lassen. „Am Fußball hängen so viele Emotionen, das ist so irrational. Vielleicht würde ich es genauso machen“, gesteht sogar der Kontrolleur. Es ist auch gar nicht verwunderlich, daß die Profiklubs kürzlich wieder eine Verschärfung der Aufsicht gefordert haben. Schützt uns vor uns selbst!

Radikale Lösungen aus diesem Dilemma, so meint Wolfgang Holzhäuser, sind aber vom Tisch: „Die Umwandlung der Klubs in Kapitalgesellschaften ist kein Thema mehr.“ Auch die Gründung einer Profiliga mit Klubs als Franchise-Unternehmen nach amerikanischem Konzept, an der man sich jetzt im Eishockey orientiert, hält er im Fußball für derzeit nicht machbar. Die „Direktion Liga“ des DFB, in der Holzhäuser arbeitet, ist keineswegs als Vorstufe einer solchen Entwicklung zu verstehen.

Holzhäuser setzt eher auf kleine Fortschritte. Als zusätzliches Kriterium für die Lizenzverteilung soll demnächst auch das Verhalten der Klubs in der Vergangenheit eingehen. Die Frage also, ob ein Verein aufgrund unglücklicher Umstände in die Schieflage geraten ist oder über einen längeren Zeitraum fragwürdig gewirtschaftet hat. Außerdem schwebt ihm eine Reform der Vereinsstrukturen vor, eine Stärkung der Geschäftsführung gegenüber dem Ehrenamt, wobei auch der Vereinsvorsitzende in einen Aufsichtsrat gewählt werden könnte. Chaotische Vorstandswahlen an biergeschwängerten Stammtischen sollen demnächst der Vergangenheit angehören. „Es geht doch nicht, daß einer, der vor 30 Minuten noch gar nicht daran gedacht hat, plötzlich Präsident ist.“

Betrug, Vorspielen falscher Tatsachen und das Verschweigen von Informationen wie zuletzt im Fall von Rot-Weiß Essen wird man damit nicht verhindern können. Auch die Solidität der Vereine – die Vereinsautonomie ist gesetzlich verankert – liegt weiterhin in ihren eigenen Händen. Wolfgang Holzhäuser ist darüber nicht sonderlich frustriert, in manchen Momenten scheint ihm das ganze Wirrwarr sogar zu gefallen: „Schauen Sie einfach mal nach Hamburg. Sportlich ist der Vertrag mit Bäron ganz rational. Wirtschaftlich gesehen kann man jetzt beten, daß es gutgeht. Vielleicht ist das auch das Schöne.“