Halb fanatisch, halb nervös

■ Rumäniens nationalistische PUNR schminkt sich liberal

Der Klausenburger Bürgermeister ist ein Mann, dessen Masken schnell fallen. Wenn in der siebenbürgischen Metropole der Stadtrat tagt, dann zwingt sich Gheorghe Funar zu einem selbstsicheren Lächeln, das bald in Angewidertsein abgleitet. Seine Hände krallt er ineinander, aber unter dem Tisch zuckt er unentwegt mit den Beinen. Seine stechenden Augen scheinen die Anwesenden durchbohren zu wollen und wandern doch unruhig umher. Der Mann wirkt halb fanatisch, halb nervös.

Einst Mitglied der Kommunistischen Partei, wurde er nach 1989 mit seinen Aktionen gegen die ungarische Minderheit in Klausenburg weltberühmt. Doch er ist nicht nur der bekannteste Bürgermeister Rumäniens, sondern auch Chef der größten ultranationalistischen Partei des Landes – der „Partei der Nationalen Einheit Rumäniens“, kurz PUNR. Von vielen oftmals verlacht, zum psychisch Kranken erklärt und politisch totgesagt, hat er sich in beiden Positionen mehr als zwei Jahre bestens behauptet. Mit ihm an der Spitze gewann die PUNR bei den Wahlen im Herbst 1992 acht Prozent der Stimmen und erstmals eine parlamentarische Repräsentanz. Funar selbst belegte mit zehn Prozent Platz drei bei den Präsidentenwahlen. Den Sieger derselben, Staatspräsident Iliescu, beschimpfte er als „Zigeuner“ – eine Beleidigung, wie sie in den Augen vieler Rumänen kaum ärger ausfallen kann. Doch Iliescu nahm es hin, denn er benötigt die PUNR und andere extremistische Parteien im Parlament als Mehrheitsbeschaffer. Mit ähnlichem Kalkül hofiert der Staatspräsident auch die „Mutter“ der PUNR, die Organisation „Vatra romÛnească“ (Rumänische Heimstatt). Sie formierte sich kurz nach Ceaușescus Sturz als Sammelbecken für Ex-Kommunisten, Securitate-Mitarbeiter, alte und neue Nationalisten. Doch anders als der Diktator in seinem Nationalkommunismus betonen sie das „rumänische“ Element weitaus aggressiver. Nach dem antiungarischen Pogrom vom März 1990 in Tirgu Mureș als politischer Arm der „Vatra romÛnească“ gegründet, leitet die Funar-Partei PUNR ihre Legitimation von angeblichen ungarischen Gelüsten ab, Rumänien zu zerstückeln. Die Hetze gegen die zwei Millionen Ungarn in Rumänien und andere Minderheiten war lange Zeit die einzige Säule Funarscher Politik. Doch er und seine Partei haben begriffen, daß damit auf Dauer nur einige Prozent der Stimmen zu gewinnen sind. Nun führen Parteifunktionäre unentwegt wohlklingende Worte im Mund: Die PUNR sei christlich-demokratisch, zivil, liberal, eine Zentrumskraft, trete für Wirtschaftsreformen und einen Nato-Anschluß ein. Doch die tatsächliche Ausrichtung der PUNR läßt sich nicht ganz verbergen: Im „Ideologischen Programm“ der PUNR, verabschiedet Ende Januar, beruft sie sich neben bekannten nationalistischen Positionen auf den „klassischen rumänischen Neoliberalismus“ und verschweigt vorsichtshalber, was es mit dem „klassisch Rumänischen“ auf sich hat. Nachzulesen ist das in den Studien eines der bekanntesten liberalen (und antisemitischen) rumänischen Ökonomen, Ștefan Zeletin, der in den 20er Jahren dem „Kapital fremder, exotischer Herkunft“ wortgewaltig entgegentrat. In der Tradition Zeletins, dessen Schriften unter der faschistischen Antonescu-Diktatur ihre Umsetzung fanden, scheint auch das Anti-Krisen-Programm der Partei vom Dezember 1993 zu stehen. Kritisiert wird darin der „Kosmopolitismus, der sich in einer Phobie gegen rumänische Produkte konkretisiert“. Verlangt werden eine durch strengen Protektionismus geschützte „nationale Industrie“, die Festlegung einer nationalen Armutsgrenze sowie Investitionsprogramme. Durch ihre Position als Zünglein an der Waage salonfähig geworden, versucht die PUNR seit langem, den Staatspräsidenten und seine regierende Partei unter Druck zu setzen, um mehr an der Macht beteiligt zu werden. Ihr neuester Vorstoß: Zusammen mit drei anderen extremistischen Parlamentsparteien, darunter einer neofaschistischen, bildete sie vor zwei Wochen einen Koalitionsblock, der vorgezogene Wahlen fordert. Doch ob vorgezogen oder nicht – die PUNR könnte bei den nächsten Wahlen beachtlich dazugewinnen. Denn die Zahl der rumänischen Politiker und Intellektuellen, die heftig aufschreien, wenn Funars Partei als extremistisch bezeichnet wird, wächst zusehends.

Keno Verseck, Budapest