Schreiben, singen und beten verboten

■ Der Krieg der chinesischen Regierung gegen ihre Bürger: eine kleine Auswahl aus einer unendlichen Liste

Volksrepublik China

Bao Tong

Geboren 1932. Wurde am 28. Mai 1989 verhaftet und beschuldigt, Geheimpläne für die Ausrufung des Kriegsrechts an ein „Verschwörertreffen“ am 17. Mai verraten zu haben; die „Verschwörung“ verschiedener Institute ist mit Zhao Ziyang (Parteichef; im Juni 1989 aller Ämter enthoben) in Verbindung gebracht worden, dessen Sekretär und hauptsächlicher Redenschreiber Bao war. Er ist Autor eines Buches in einer Serie, genannt „Die hundert Familien“. 1986 schrieb er einen Artikel mit dem Titel „Der alte Gaul Kapitalismus und das Fohlen Sozialismus“, in dem er konservatives Denken angriff. Im Mai 1989 erscheinen mehrere Artikel in Renmin Ribao, in denen die Pressefreiheit verteidigt wurde; Bao Tong soll der Autor gewesen sein. Bao wird ebenfalls vorgeworfen, die Ausstrahlung der kontroversen Fernsehserie „Elegie des Flusses“ erlaubt zu haben.

Bao war Direktor des Instituts für politische Strukturreformen, einer Einrichtung des Zentralkomitees, und kurzfristig auch Sekretär des permanenten Komitees des Politbüros. Mitte 1992 wurde er aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen und nach einem geheimen Prozeß wegen „Weitergabe von Staatsgeheimnissen“ (er hatte Demonstranten auf dem Tiananmenplatz über Truppenbewegungen informiert) zu vier Jahren und wegen „konterrevolutionärer Propaganda und Hetze“ (er hatte angeblich der Veröffentlichung einer privaten Gesprächsmitschrift am 20. Mai mit einem hohen Funktionär zugestimmt) zu weiteren fünf Jahren Gefängnishaft verurteilt. Die Urteile wurden zusammengezogen, die Haft auf sieben Jahre festgesetzt, auf die ungewöhnlicherweise seine drei Jahre Untersuchungshaft angerechnet wurden. Bao müßte am 27. Mai 1996 freikommen. Auch nach der Freilassung darf er zwei weitere Jahre seine politischen Rechte nicht wahrnehmen. Diese Urteil wurde in einem Revisionsverfahren am 6. August 1992 vom Pekinger städtischen Obervolksgericht bestätigt.

Bao Tong leidet unter Magenbeschwerden, seine Blutuntersuchungen zeigen permanent niedrige Zahlen der weißen Blutkörperchen. Anfang 1993 drohte man ihm mit Entzug der Familienbesuche, falls er weiterhin Anträge auf Haftentlassung aus medizinischen Gründen stellt. Er wird in Einzelhaft gehalten und ist im April 1993 ein fünftes Mal seit seiner Verhaftung am Darm operiert worden.

Chen Yanbin (Yanlin)

23 Jahre alt, Student der Qinghua- Universität, Ende 1990 verhaftet und wegen „konterrevolutionärer Propaganda und Hetze“ am 10. März 1990 in Verbindung mit der illegalen Publikation „Eisenströme“ über das Tiananmenplatz- Massaker zu 15 Jahren Haft und anschließendem vierjährigen Entzug aller politischen Rechte verurteilt. Berichte im August 1993, wonach er im Qincheng-Gefängnis gehalten wird.

Chen Ziming („Li Bin“)

1953 geboren. Akademischer Direktor des Pekinger Instituts für Sozial- und Wirtschaftswissenschaft, dessen Mitbegründer er 1986 war und das zu einem Zentrum demokratischen Denkens und Ideen von einer „bürgerrechtlichen Gesellschaft“ geworden war, in der halbwegs unabhängige Gruppierungen von der Partei abweichende Meinungen haben durften. Chen veranstaltete Meinungsumfragen, organisierte Seminare und publizierte Bücher, einschließlich Übersetzungen westlicher Autoren wie Freud und Sartre. Er war auch Chefredakteur der Economics Weekly. Seine Artikel und Bücher sind verboten. Vor dem Massaker am 4. Juni hatten er und Wang Juntao (siehe weiter unten) versucht, angesichts der zu erwartenden Katastrophe die Studenten zum Verlassen des Tiananmenplatzes zu bewegen. Danach verlor er seinen Posten und wurde zu einem der am dringendsten Gesuchten. Am 9. November 1989 wurde er zusammen mit Wang auf ihrer Flucht nach Hongkong verhaftet.

Die Anklage lautete auf „Verschwörung zum Sturz der Regierung“, „konterrevolutionäre Propaganda und Agitation“ und „Anführung“ der Demokratiebewegung, das Urteil erging am 12. Februar 1990 auf 13 Jahre Gefängnis und anschließend vier Jahre Aberkennung der politischen Rechte, zuletzt bestätigt am 19. März 1991. Im April 91 wurde Chen Ziming in das Pekinger Gefängnis „Nummer 2“ überstellt und dort in einer vier Quadratmeter großen Zelle isoliert und danach mit „gewöhnlichen“ Gefangenen zusammengelegt.

Mitte 1992 veröffentlichte die Hongkonger Zeitung Contemporary ein von ihm im Gefängnis geschriebenes Buch über das Jahrzehnt der Reform (Buch im Stil eines Briefes an den Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Chinas). Ende April 1993 wurde berichtet, daß sein Antrag, im Fernstudium ein Doktorat in moderner chinesischer Geschichte an der Volksuniversität zu machen, abgelehnt wurde. (Er soll einer der vier politischen Gefangenen gewesen sein, die am 1. März 1994 amerikanischen Reportern per Videofilm gezeigt wurden.)

Li Haitao

1956 geboren, lehrte Philosophie an der Wuhan-Universität, Herausgeber der Zeitschrift Französische Studien und Vorsitzender der Autonomen Vereinigung älterer Studenten an der Wuhan-Universität. Li wurde wahrscheinlich am 16. Juni 1989 zusammen mit acht anderen Angestellten und Studenten der Universität in Guangzhou, Provinz Guangdong, festgenommen.

Ihm wurde vorgeworfen, am 6. Juni 1989 eine Trauerfeier für die auf dem Tiananmenplatz Ermordeten abgehalten und der Studentenführerin Chai Ling geholfen zu haben, ein Tonband herzustellen, auf dem sie das Massaker vom 4. Juni verurteilt und sich gegen die Zerschlagung der Demokratiebewegung ausspricht (Chai Ling gelang später die Flucht ins Ausland).

Die Menschenrechtsorganisation amnesty international berichtet, daß Li am 29. August 1990 wegen „konterrevolutionärer Propaganda und Agitation“ sowie „Verkehrsbehinderung“ während eines studentischen Sit-in am 16. Mai 1989 auf der Yangzi-Brücke zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Das Urteil soll, nach erfolgreicher Revision, auf vier Jahre reduziert worden sein. Li wird im Lager Laogai Nummer 1 in Hubei festgehalten.

Liao Yiwu

Geboren 1957, stammt aus Fuxing, Sechuan, Lyriker und Mitglied der Schriftstellervereinigung von Sechuan. Wurde zusammen mit vier anderen Dichtern Ende März in Chegdu wegen eines Gedicht-Videos verhaftet. Liao hat 1983/84 für seine Dichtung einen nationalen Lyrik-Preis erhalten, publizierte in Xingxing und Volksliteratur. Sein berühmtestes Gedicht jedoch wurde „Massaker“, das sich mit dem Massaker auf dem Tiananmenplatz beschäftigt. Es ist nie gedruckt, sondern nur auf Videos verbreitet worden.

Auch davor hatte er bereits mit seinem Gedicht „Stadt des Todes“ 1987 Aufsehen erregt und war von staatlichen Stellen beschuldigt worden, zu pessimistisch zu sein.

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einer unendlichen Liste

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Es heißt, daß Liao auf einer Gefängnis-Farm zur „Besserung durch Arbeit“ festgehalten wird; er wird gut behandelt und hat regelmäßig Kontakt mit Freunden und Familie. Im März 1992 soll er zu vier Jahren Haft wegen „konterrevolutionärer Propaganda“ verurteilt worden sein.

Li Xiaohua

Geboren 1954, mit Preisen ausgezeichneter Dichter und zur Zeit seiner Verhaftung am 12. Juni 1989 in Guangzhou Redakteur im Verlag der Volksarmee, Peking. Wahrscheinlich verhaftet, weil er angeblich Geld für die protestierenden Studenten in Peking gesammelt hat und Informationen an einen Journalisten aus Hongkong weitergegeben hat. Wird wahrscheinlich in einem Pekinger Gefängnis festgehalten.

Qin Dong (Schriftstellername)

Journalist einer lokalen Zeitung in Hunan. Nahm an Demonstrationen der Demokratiebewegung teil. Wurde kurz nach dem 4. Juni verhaftet und angeklagt, „reaktionäre Artikel“ geschrieben zu haben. 1990 wegen „konterrevolutionärer Propaganda und Hetze“ in Changsha zu vier Jahren Haft verurteilt. Ist 30 Jahre alt, wird im Lingling-Gefängnis, Hunan, festgehalten.

Ren Wanding

Geboren 1944, Aktivist aus der Zeit der Demokratie-Wandzeitungsbewegung von 1978/79. Gründer der chinesischen Liga für Menschenrechte, wurde zusammen mit Wei Jingshenh (siehe Editorial) denunziert, als die Demokratiebewegung von 1979 zerschlagen wurde. 1988 veröffentlichte die New York Times zum 10. Jahrestag der Bewegung einen Artikel von Ren, in dem er Studenten aufforderte, sich für die Gefangenen der Bewegung einzusetzen und die Geschäftswelt dazu, ihre Investitionen in China von einer Beendigung der Repression abhängig zu machen. Berichten zufolge wurde er am 9. Juni 1989 zu Hause verhaftet und am 6. Januar 1991 nach einem summarischen Prozeß wegen „konterrevolutionärer Hetze“ zu vier Jahren Haft verurteilt. Wird im Pekinger Gefängnis Nummer 2 festgehalten.

Es wird berichtet, daß Ren fast erblindet ist und unter Schmerzen in Brust und Rücken leidet; die medizinische Versorgung ist nicht adäquat. Ren Wanding war angeblich einer der politischen Gefangenen, die auf einem Video zu sehen waren, das US-amerikanischen Reportern am 1. März vorgespielt wurde.

Kajikhumar Shabdan (Haji Omar Shabdanoglu, oder Khajikhumar Shabdanek)

Kasachischer Schriftsteller und Dichter, 1924 in Kasachstan geboren, 1931 nach China emigriert, Berichten zufolge im Dezember 1988 im Bezirk Tacheng, Nord- Xinjiang, festgenommen und zu zwölf Jahren „Korrektur durch Arbeit“ verurteilt. Genaueres über die Anklage ist unklar, jedoch scheint man Shabdan zu verdächtigen, Mitglied einer illegalen Organisation zu sein, die Beziehungen zu einer nationalistischen Gruppierung in der kasachischen Republik der ehemaligen Sowjetunion unterhält.

Nach Unruhen im Sommer 1988 in Tachend, Folge friedlicher Studentendemonstrationen in Urumqi, auf denen gegen die Diskriminierung nationaler Minderheiten in Xinjiang protestiert wurde, kam er in Haft. Bereits in den dreißiger und vierziger Jahren war er mehrmals wegen Nationalismus- Verdachts verhaftet worden und verbrachte von 1958 bis 1976 18 Jahre im Gefängnis. Zwischen 1976 und 1988 schrieb er mehrere Bände eines Romans („Verbrechen“); Teile des Textes sind im Gefängnis entstanden.

Wang Juntao

32 Jahre alt, stellvertretender Herausgeber der Zeitung Economics Weekly und zweiter Direktor der Pekinger Vereinigung junger Ökonomen, Chef des sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstituts. Während der Demokratiebewegung der siebziger Jahre gründete und editierte er die inoffizielle Zeitschrift Peking- Frühling. Am 9. November 1989 berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, daß er zusammen mit anderen auf der Flucht nach Hongkong gefaßt worden ist. Seinen Angaben zufolge hat er versucht, eine Konfrontation zwischen Regierung und Studenten zu vermeiden und sogar die Studenten aufgefordert, den Tiananmenplatz zu räumen. Auch seine Frau, Hou Xiaotian, wurde verhaftet, dann jedoch freigelassen.

Wang wurde wegen „Verschwörung zum Umsturz der Regierung“ und „konterrevolutionärer Propaganda und Agitation“ angeklagt. Zusammen mit Chen Ziming beschuldigte man ihn, Anführer der Demokratiebewegung zu sein. Prozeß und Urteil am 12. Februar 1991: 13 Jahre Haft und anschließender Entzug aller politischen Rechte für vier Jahre. Revision am 19. März 1991 abgelehnt. Angeblich im Gefängnis Nummer 2, Peking in einer vier Quadratmeter großen Zelle festgehalten. Berichte sprechen von einer Hepatitis-B-Infektion. Im Oktober 1993 sagte seine Frau, daß er ohne entsprechende medizinische Versorgung sterben wird. Angeblich war auch er einer der politischen Gefangenen, die auf einem Video zu sehen waren, das US-amerikanischen Reportern am 1. März vorgespielt wurde.

Zhang Jingsheng (Pseudonym: Han Xing)

Geboren 1955, Gelegenheitsarbeiter in der Elektrofabrik Shaoguan, Hunan, am 4. Mai 1989 verhaftet, nachdem er bei einem Treffen pro- demokratischer Demonstranten eine Rede gehalten hatte und dabei auch Wei Jingshengs Freilassung gefordert hatte. Nach wenigen Tagen wieder entlassen, stieß er zur Untergrundorganisation „Autonome Arbeiterföderation“ und wurde am 28. Mai erneut verhaftet. Wegen „konterrevolutionärer Propaganda und Hetze“ zu 13 Jahren Haft und zweijähriger Aberkennung der politischen Rechte im Dezember 1989 durch das (mittelrangige) Volksgericht von Changsha verurteilt. In der Begründung des Urteils wurde Bezug genommen auf seine Mitgliedschaft in der autonomen Arbeiterorganisation, seine Rede vom 4. Mai und die ihm vorgeworfenen Versuche, die Arbeiter zum Streik und Studenten zum Boykott ihrer Lehrveranstaltungen aufgewiegelt zu haben, sowie auf ein von ihm geschriebenes „Anti-Regierungs“- Flugblatt. Ein weiterer Hauptvorwurf war, daß er während seines ersten Gefängnisaufenthalts „viele Lieder über das Gefängnisleben verfaßt“ hatte, deren Inhalt „extrem reaktionär“ sei. Die Zentralregierung hat angeblich strengste Bestrafung gefordert. Zhang war bereits von 1981 bis 1985 im Gefängnis; vorgeworfen wurde ihm die Herausgabe der inoffiziellen Zeitschrift Der Wanderer. Aus dieser Zeit stammen seine Gefängnislieder, die sehr populär sind. Wurde nach seiner Entlassung 1985 streng überwacht.

Zhang Yafei

Student und Journalist, im September 1990 verhaftet und am 10. März 1991 wegen „konterrevolutionärer Propaganda und Hetze“ zu elf Jahren Haft und anschließender Aberkennung der politischen Rechte von zwei Jahren verurteilt (andere Berichte sprechen von sieben Jahren). Ihm wird vorgeworfen, die Untergrundzeitschrift Eisenströme, die sich vor allem mit dem Pekinger Massaker befaßte, noch sechs Monate weitergeführt zu haben (siehe auch Chen Yanbin).

Zhang Youshen

65 Jahre alt, Pensionär, früher Redakteur in der Filmabteilung einer Chemiefabrik (Huadong Bu Di Yi Jiaopian Chang), Provinz Hebei. Ohne Prozeß zu drei Jahren „Korrektur durch Arbeit“ verurteilt (2. Juli 1991) für einen unveröffentlichten Artikel mit dem Titel „Kritik an der patriotischen Gesellschaft katholischer Chinesen“, der wegen seiner Kritik an Regierung und Partei als konterrevolutionär eingestuft wurde.

Zhang wurde im März 1991 verhaftet, nachdem der Text bei der Hausdurchsuchung eines Verhafteten gefunden worden war. Bis Juli 1991 wurde er in Baoding in Haft gehalten, und kein Familienbesuch war erlaubt; jetzt im Arbeitslager in Hengshui, Hebei. Andere Gefangene dürfen nicht mit ihm sprechen, er selbst darf keine Briefe schreiben. Verrichtet Feldarbeit und lebt mit drei jungen Gefangenen in einem kleinen Raum. Familienbesuch alle vierzehn Tage unter Polizeiaufsicht.

Tibet

Lho Tsering (verschwunden)

46 Jahre alt, auch bekannt unter dem Namen Lobsang Tsering, religiöser Aktivist, in Kharze geboren. Seiner Familie wurde im Oktober 1990 mitgeteilt, daß er wegen Druck und Vertrieb von Gebetstexten verhaftet und nach China gebracht worden sei. Lho war 1959 bereits für acht Jahre ins Gefängnis gekommen und ist dort wahrscheinlich gefoltert worden. Angeblich auf einer Reise zwischen Lhasa und Shigatse verhaftet worden, Datum unbekannt. Wahrscheinlich der Untergrundarbeit verdächtigt.

Jampel Changchub

34jähriger Mönch des Klosters Drepung Gonpa, geboren in Toelung. Im November 1989 wegen „Druckens von Flugblättern und Gründung einer konterrevolutionären Organisation“ und „Spionage für den Feind“ zu 19 Jahren Gefängnis (und Aberkennung der politischen Rechte für weitere neun Jahre) verurteilt. Mitglied der Drepung-Druckergruppe (siehe Phulchung). Name im Zivilleben: Yugyal. Wird im Drapchi- Gefängnis in Lhasa festgehalten. Berichten zufolge wurde Changchub zusammen mit anderen Gefangenen am 26./27. April 1991 von chinesischen Soldaten bis zur Bewußtlosigkeit geschlagen. Dieser Überfall stand angeblich in Zusammenhang mit dem Besuch des US-amerikanischen Botschafters in China (Drapchi), bei dem ihm einige Mönche Papiere über Menschenrechtsverletzungen im Gefängnis überreichen konnten. Sie wurden später in ein anderes Gefängnis verlegt; Changchub protestierte zusammen mit 20 anderen Mönchen gegen die Verlegung.

Jampel Chunjor

Buddhistischer Mönch des Drepung-Klosters in Lhasa. Nach einer Massenverhaftung am 30. November 1989 zu 19 Jahren Gefängnis verurteilt. Angeklagt wegen „Mitgliedschaft in einer konterrevolutionären Vereinigung“ und Spionage. Soll Literatur zur Unabhängigkeit Tibets verteilt und Nachrichten über die Morde an Unbewaffneten durch die Polizei in Lhasa im März 1989 zu publizieren versucht haben.

Jampel Monlam

26jähriger Mönch des Drepung- Klosters, geboren in Tsalgung Thang. Mitglied der Drepung- Drucker. Im November 1989 wegen „Drucks von Flugblättern und Gründung einer konterrevolutionären Vereinigung“ zu fünf Jahren Haft (plus neun Jahren Aberkennung der politischen Rechte) verurteilt. Ziviler Name: Dradul; festgehalten im Drapchi-Gefängnis in Lhasa.

Jigme Sangpo

65 Jahre, früher Grundschullehrer. Wurde 1964 verhaftet und drei Jahre festgehalten, weil er sich gegen die offizielle Kritik an den religiösen Führern Tibets ausgesprochen hatte. Nach Absitzen der Strafe in ein Gefangenenarbeitslager geschickt. 1970 wurde er wieder verhaftet, weil er angeblich eine Nichte, Mitglied einer Gruppe zum Kampf um die Unabhängigkeit und von der Polizei gesucht, dazu ermutigt hatte, nach Indien ins Exil zu gehen und über die Zustände in Tibet dem Dalai Lama zu berichten. Zu zehn Jahren Haft verurteilt und in ein Arbeitslager im Dorf Nethang nahe Lhasa geschickt. 1980 in ein Arbeitslager für ehemalige Gefangene in Nyethang verlegt. Im September 1983 dort verhaftet, weil er einige Zeilen seines Liedes „Der Kampf des tibetischen Volkes“ auf Poster kopiert und in Lhasa verteilt hatte. 1984 zu 15 Jahren „Korrektur durch Arbeit“ vermutlich wegen „konterrevolutionärer Verbrechen“ verurteilt; die genaue Anklage ist unbekannt. Die Härte des Urteils wird aus der Tatsache erklärt, daß er während der Wartezeit im Gefängnis noch vor dem Prozeß wiederholt Slogans der tibetischen Unabhängigkeitsbewegung rief.

Jigme Sangpos psychische Gesundheit wurde im Verlauf des Jahres 1985 schwer geschädigt. Sein Urteil wurde noch einmal um fünf Jahre verlängert, nachdem er im September 1987 eine Demonstration von Mönchen mit lauten Rufen unterstützt hatte. Als eine schweizerische Delegation das Drapchi-Gefängnis am 6. Dezember 1991 besuchte, rief er wieder Slogans, wurde schwer geschlagen und mindestens sechs Wochen lang in dünner Bekleidung bei sehr niedrigen Temperaturen in einer Einzelzelle gehalten. Ein weiterer Bericht sprach von Metallplatten, die zur speziellen Kälteerzeugung im Januar 1992 in der Zelle angebracht worden seien. Das Urteil wurde um weitere acht Jahre verlängert. Ende letzten Jahres gab es Berichte, daß Jigme Sangpo unter hohem Blutdruck leidet. Wird im Drapchi-Gefängnis festgehalten.

Kelsang Thutob

46jähriger Mönch des Drepung- Klosters, geboren in Toelung. Im November 1989 wegen „Drucks von Flugblättern und Gründung einer konterrevolutionären Organisation“ und weil er das Land illegal verlassen wollte, zu 18 Jahren Haft (plus neun Jahren Aberkennung der politischen Rechte) verurteilt. Mitglied der Drepung- Drucker. Wird im Drapchi-Gefängnis in Lhasa festgehalten.

Kunsang La

26jährige Nonne des Tsamkhung- Klosters in Lhasa, seit Februar 1990 in Haft; durch ihre Handschrift war sie als Schreiberin eines Flugblatts identifiziert worden, in dem die Verhaftung zweier Nonnen kritisiert wurde, die wegen Feierns der Nobelpreis-Verleihung an den Dalai Lama ins Gefängnis gekommen waren. Kunsangs Flugblatt forderte auch die Unabhängigkeit Tibets, ein Packen war in den Teil des Klosters geworfen worden, in dem chinesische Regierungsbeamte untergebracht waren. Das Frauenkloster hatte vor Kunsangs Verhaftung bereits vier Monate täglich politischen Unterricht zur Re-Edukation hinter sich. Sie wird im Gutsa-Gefängnis gehalten. Zuletzt wurde sie im Oktober 1990 gesehen. Berichten zufolge ist sie gefoltert worden und danach in schlechtem psychischem Zustand gewesen. Ihr Urteil lautete wegen „wiederholter illegaler Aktivitäten, die die Teilung des Vaterlandes zum Ziel haben“ auf sechs Jahre plus zwei Jahre Aberkennung bürgerlicher Rechte. Die chinesische Regierung berichtete im Dezember 1991 einer UN- Kommission, Kunsang erfreue sich guter Gesundheit, der Vorwurf der Folter sei „absoluter Unsinn“. Angeblich seien alle Vorwürfe aufs genaueste geprüft.

Ngawang Oeser

24jähriger Mönch des Drepung- Klosters, geboren in Medro. Wegen Aktivitäten als Mitglied der Drepung-Druckergruppe am 30.11.89 zu 17 Jahren Haft plus neunjähriger Aberkennung aller politischen Rechte verurteilt.

Ven Ngawang Phulchung

37jähriger Mönch des Drepung- Klosters; wurde in einem Massenprozeß im November 1989 wegen „hochgiftiger Verleumdung der demokratischen Volksdiktatur“ und „Spionage für den Feind“ zu 19 Jahren Haft plus neun Jahren Entzug aller politischen Rechte verurteilt. Unter den Publikationen der Drepung-Drucker waren unter anderem eine allgemeine Menschenrechtserklärung in tibetischer Sprache und das politische Manifest Tibets „Die Bedeutung der kostbaren demokratischen Verfassung Tibets“, in dem eine verfassungsmäßige Demokratie gefordert wird.

Zusammengestellt vom Writers in Prison Committee