Südafrikas ANC will Buthelezis Sturz

ANC bekräftigt Forderung nach Einsatz der Armee in der Provinz Natal, um die Macht der Inkatha endgültig zu brechen / „Die nächsten vier Tage werden entscheidend sein“  ■ Aus Durban Willi Germund

Südafrikas Afrikanischer Nationalkongreß (ANC) will Mangosuthu Buthelezi, den Chief Minister des Schwarzenreservats KwaZulu und Führer der konservativen Schwarzenbewegung Inkatha, noch vor den ersten allgemeinen und demokratischen Wahlen des Landes in einem Monat stürzen. „Vor zwei Wochen war das für uns noch keine ernsthafte Option“, erklärte gestern der taz ein hoher ANC-Funktionär in der Provinz Natal, zu dem auch das Homeland gehört, „aber nach den letzten Ereignissen ist das möglich.“ Die zwei Gründe des Funktionärs, der einen hohen Posten im ANC-Geheimdienst bekleidet: „Wir müssen erzwingen, daß es Wahlen auch in KwaZulu/Natal gibt. Und wir dürfen nicht erlauben, daß Buthelezi nach den Wahlen noch als Destabilisierungsfaktor eine Gefahr für die Demokratie darstellt.“ Dafür setzt der ANC auf die südafrikanische Armee: „Die Truppen müssen so schnell wie möglich in KwaZulu einmarschieren, um Ruhe und Ordnung für die Wahlen herzustellen.“

Der ANC zieht damit nicht nur Konsequenzen aus dem Sturz des Homeland-Diktators Lucas Mangope in Bophuthatswana vor zwei Wochen und dem Zerfall der Schwarzenreservate Ciskei und Lebowa diese Woche. Offensichtlich sind wichtige ANC-Kreise auch zu dem Schluß gekommen, daß die Verhandlungen mit Buthelezi nicht weiterkommen – auch wenn es immer noch Gespräche zwischen ANC und Inkatha gibt.

Selbst Richter Johann Kriegler, der Vorsitzende des Unabhängigen Wahlrats, kehrte nach Gesprächen mit dem Inkatha-Führer enttäuscht zurück. Und Staatspräsident de Klerk kündigte an, er werde die Streitkräfte in der Region verstärken. Dem ANC war schon vor einigen Tagen aus Militärkreisen bedeutet worden, in der Ciskei und Lebowa keine Unruhe zu verursachen, damit genügend Truppen für einen Einsatz in KwaZulu zur Verfügung stehen würden.

Seit Samstag vergangener Woche kamen bei Auseinandersetzungen zwischen Inkatha und ANC-Anhängern in KwaZulu/Natal 100 Menschen ums Leben. Inkatha-Führer Buthelezi ist nach wie vor entschlossen, die Wahlen zu boykottieren. Zwar will er die Einrichtung von Wahllokalen zulassen – nicht jedoch Wahlkampf und Wählererziehung.

Der ANC-Funktionär sieht freilich auch Risiken bei einem Truppeneinsatz: „Die Frage ist, ob politische Gruppierungen dies als Erklärung eines Bürgerkriegs auffassen würden.“ Dies gilt nicht nur für Buthelezi und seine Getreuen, sondern auch für rechtsradikale Gruppierungen wie die neo-faschistische „Afrikaaner Weerstandsbeweging“ (AWB). Der ANC- Vertreter außerdem: „Wir wissen, daß Buthelezi eine wichtige soziale Basis hat. Aber es ist nicht ausgemacht, daß sie ihm auch in einen Krieg folgen würden.“

ANC-Kreise schätzten die militärische Stärke von Inkatha auf etwa 5.000 Mann. Selbst die sogenannte „Fünf Rand Brigade“ wird nicht als übermäßig bedrohlich betrachtet. Der Name stammt von einer fünf Rand (2,50 DM) umfassenden Abgabe, die alle Familien in KwaZulu zur Finanzierung sogenannter „Selbstschutzeinheiten“ entrichten mußten. Selbst die Loyalität der KwaZulu-Polizei, die Buthelezi als Polizeiminister des Homelands höchstpersönlich befehligt, gilt als zweifelhaft. „Den Polizisten muß wie den Beamten nur deutlich gemacht werden, daß am Tag nach den Wahlen die Zukunft ihrer Pensionsansprüche und ihrer Gehälter gefährdet sind, wenn KwaZulu dann noch existiert“, sagt der Politiker. Die Homelands werden mit den Wahlen aufgelöst – die Zahlungen aus Südafrika könnten dann sofort eingestellt werden.

Gestern mobilisierte der ANC 40.000 Menschen zu einer Demonstration in der Hafenstadt Durban, die aus Sicherheitsgründen in ein Fußballstadion umgeleitet wurde. Der ANC-Funktionär: „Die nächsten vier Tage werden entscheidend sein.“ Derweil werden Gespräche auf höchster Ebene geplant. De Klerk kündigte an, mit Buthelezi reden zu wollen; Nelson Mandela, der wegen Grippe seine Wahlkampfveranstaltungen absagte, bat den Zulu-König Goodwill Zwelethini per Brief um ein neues Treffen. Die letzte Begegnung war – ebenfalls aus Sicherheitsgründen – abgesagt worden.