Radikale Reform der Arbeitsmarktpolitik

■ SPD krempelt ABM-Politik um: weg mit Dauer-Arbeitsplätzen und Nischenprojekten

“Wir machen jetzt Druck. Keiner mehr kann sich darauf einrichten, auf Dauer im zweiten Arbeitsmarkt unterzukommen.“ SPD-Fraktionschef Günter Elste ließ am Sonntagmittag keinen Zweifel, daß Senat, SPD-Bürgerschaftsfraktion und Arbeitsbehörde es ernst meinen: Die Hamburger Politik des Zweiten Arbeitsmarktes, Anfang der 80er Jahre von Sozialsenator Jan Ehlers entwickelt, wird noch in diesem Jahr grundlegend reformiert.

Auf der Haushaltsklausur der SPD-Bürgerschaftsfraktion am Wochenende in Bad Bramstedt segneten die Parlamentarier ein arbeitsmarktpolitisches Programm für den Zeitraum 1994-97 ab, das eine Vielzahl massiver Einschnitte und Neuerungen mit sich bringt. Äußerer Anlaß sind die von Bonn verordneten radikalen Mittelkürzungen der Bundesanstalt für Arbeit für Hamburg, welche die Zahl der ABM-Plätze von mehreren 1000 auf wenige 100 abstürzen ließ. Aber auch die Hansestadt macht ihre Kassen zu: Rückte der Senat in den Jahren 1990 bis 1993 im Schnitt 123 Millionen Mark für ABM heraus, so sollen es 1994 gerade noch 109 Millionen sein.

Die SPD nutzt jetzt die Krise zur Reform ihrer Arbeitsmarktpolitik. Statt, wie in der Vergangenheit, Lücken in der sozialen und kulturellen Grundversorgung zu schließen sowie eine breite und reichhaltige ABM-Szene kleiner Projekte am Leben zu halten, wird die Politik des zweiten Arbeitsmarktes auf Arbeitstherapie und Sozialhilfeverhinderung umgepolt. „Zukünftig stehen die arbeitsmarktpolitischen Effekte im Vordergrund“ heißt es in dem Grundsatzpapier. Statt „Beschäftigungsnischen“ aufzuspüren, soll ABM zukünftig „möglichst nah am allgemeinen Arbeitsmarkt angesiedelt sein“. Dabei werden AB-Maßnahmen wesentlich stärker an den Problemen und Fähigkeiten der Arbeitslosen ausgerichtet: Individuelle Eingliederung, die Kombination von Arbeit, Qualifizierung und sozialer Betreuung, die Mischung von Finanztöpfen – all dies soll es künftig erstmals in Hamburg geben.

Diese überfälligen Reformen sind freilich mit bitteren Pillen durchsetzt. So wird für ABM-Beschäftigte in Zukunft bis auf wenige Ausnahmen gelten: Ein Jahr – und dann ist Schluß. So soll Druck zur Suche nach normaler Erwerbsarbeit erzeugt werden. Aber: Nach frühestens 18 Monaten darf man sich um eine neue ABM-Beschäftigungsschleife bemühen. Feinsinnig merkt die SPD an: „Dadurch liegt die Entlohnung zwischen dem ohne Arbeit zu erzielenden Transfereinkommen und den Löhnen im allgemeinen Arbeitsmarkt.“ Was die Autoren allerdings verschweigen: Der stete Wechsel von ABM und Arbeitslosigkeit schont vor allem die Stadtkasse: Statt Sozialhilfe (Stadtkasse) ist dann immer das Arbeitsamt dran (Bundeskasse).

Geschont wird auch der stramm sozialdemokratische staatliche ABM-Apparat: Die SPD will die „Trägerstruktur“ für ABM-Projekte auf „einen Kern ausgewählter leistungsfähiger Beschäftigungs- und Qualifizierungsträger“ eindampfen. Die Kriterien sind so ausgewählt, daß vor allem staatliche Einrichtungen übrigbleiben dürften. Für die Szene kleiner, freier Träger heißt das, so verkündet der Fraktionsbeschluß ganz offen: „Kleinere Projekte werden sich zusammenschließen oder ganz vom Markt gehen müssen.“ F.Marten