Der große Tag der Buren

■ In Südafrikas Hauptstadt Pretoria wurde der burische „Volksstaat“ ausgerufen

Pretoria (taz) – Morgens um sieben ist die Welt in Pretoria noch in Ordnung. Unter blauem Himmel füllt sich der Church Square, der zentrale Platz der südafrikanischen Hauptstadt, langsam mit Menschen. Kinder und Alte kommen, mit Klappstühlen und Kühltaschen ausgerüstet. Viele tragen Khaki, das Markenzeichen der südafrikanischen Buren. Am Hügel, vor dem Amtssitz von Staatspräsident Frederik W. de Klerk, sammeln sich die Buren, um ihren großen Tag zu begehen: Der Volksstaat, die unabhängige Burenrepublik, soll ausgerufen werden. Zur gleichen Zeit ziehen mehrere hundert weißgewandete Frauen ein. Anita Armandt hat Tränen in den Augen. Die Sprecherin des Burensenders Radio Pretoria erklärt, daß dies auch ein Tag der burischen Frauen wird. „Weiß ist die Farbe der Unschuld und der Reinheit“, sagt sie gerührt. Acht von ihnen tragen alte Trachten. Lange Röcke, die Oberkörper züchtig mit Spitzen bedeckt bis zum Kinn und Flügelhauben auf dem Kopf. Sie schwenken die „Vierkleur“, die rot-weiß-blau-grüne Flagge des alten Burenstaates Transvaal, die auch das Wahrzeichen des neuen Volksstaates sein soll. Der Platz ist von der Polizei abgeriegelt und zusätzlich gesichert vom „Pretoria Burenkommando“. Gegen neun Uhr ist die Stadt voller Menschen. Vom östlichen und westlichen Stadtrand halten die Männer in Autokorsos Einzug und skandieren „Volksstaat“. Uniformen der „Afrikaaner Weerstandsbeweging“ (AWB), einer besonders militanten Gruppe in der rechten „Afrikaaner Volksfront“ (AFV), sind nicht zu sehen. Um ihre Teilnahme hatte es Streit innerhalb der AFV gegeben, das „Pretoria Burenkommando“ und der frühere Führer der AFV, General Constant Viljoen, wollten nicht, daß die AWB-Leute in Uniform erscheinen. Sie kamen daraufhin nicht. Die Emotionen schlagen hoch, als die neugebildete „Wehrmacht“ der Buren, die „Burische Krisenaktion“, im Gleichschritt einmarschiert. Etwa 2.000 Mann, auch sie in Khaki und mit Revolvern bewaffnet, wollen zeigen, daß man zum Kampf bereit ist. Der 25jährige Marc ist begeistert. Er schwenkt eine riesige deutsche Reichskriegsflagge, hat Hakenkreuze auf der Brust und auf seinem Tirolerhut-Imitat. „Wir Buren müssen uns wehren, das ist unser gutes Recht“, sagt der Deutsch- Südafrikaner. Gegen „die Verschwörung von Kommunisten und ANC“ müsse man kämpfen. Der heilige Kampf der Buren gegen den Weltkommunismus eint zumindest an diesem Tag die zerstrittenen rechten Gruppierungen. Die Bevölkerung von Pretoria ist hingegen ziemlich unbeteiligt. Immer wieder durchsetzt mit Chorälen und Gebeten, nimmt das Ritual auf dem Church Square seinen Lauf. Um Punkt zehn Uhr wird der „Volksstaat“, die „Freie Burenrepublik“ mit der Hauptstadt Pretoria, ausgerufen. An den Gebäuden rund um den Platz gehen die Flaggen hoch, rund zehntausend Menschen jubeln und singen inbrünstig die „Stem“, die burische Nationalhymne. In einer Predigt begründet ein calvinistischer Priester die Notwendigkeit des Burenstaates aus dem Alten Testament: „Dieses Land wurde uns von Gott gegeben, und wir werden dafür kämpfen.“ Ein anderer Redner dankt den burischen Frauen und Müttern, die die Söhne zur Verteidigung des Burenvolkes gebären. Vom nationalen Mahnmal der Buren, dem Voortrekker-Monument außerhalb Pretorias, werden die Flaggen der ehemaligen Burenrepubliken Transvaal und Oranje-Freistaat auf den Platz getragen, ein Feuer wird entzündet und die neue südafrikanische Flagge, „ein Zeichen der Dekadenz und der Verderbnis“, verbrannt. Auch Wahlplakate des ANC wandern ins Feuer.

Doch die Lage beruhigt sich wieder, geduldig wird weiter gebetet und gesungen, lauscht man der Rede des neuen „Staatspräsidenten“, dem Führer der Konservativen Partei, Ferdi Hartzenberg. Eine „machtvolle Demonstration des burischen Volkes“ sei dieser Tag, sagt er. „Das Volk steht auf und sagt ja zur Freiheit.“ Der Freiheit eines Phantomstaates, der wieder die alten Burenrepubliken Transvaal und Oranje-Freistaat umfaßt, durchsetzt mit einem Flickenteppich von schwarzen Homelands und einem Zugang zum Indischen Ozean, wie auf einer bisher geheimen Karte zu sehen ist. Die Demonstration des Burenvolkes endet mittags friedlich mit dem erneuten Absingen der Stem. Anita Armandt und die Frau des neuen Staatspräsidenten liegen sich schluchzend in den Armen. Gegen zwei Uhr ist die Innenstadt von Pretoria wieder so verschlafen und ausgestorben wie immer am Wochenende. Kordula Doerfler