Walesa lehnt Polens neuen Finanzminister ab

■ Premier Pawlak setzt seinen eigenen Mann ein / Die Sozialdemokraten sind empört und erwägen Verfassungsänderung gegen Präsident Walesa

Warschau (taz) – Im Machtkampf zwischen Polens Regierung und Präsident Lech Walesa hat eine neue Runde begonnen. Am Freitag abend lehnte der Präsident Walesa den Kandidaten der Sozialdemokraten für das Amt des Finanzministers und Vizepremiers, den Wirtschaftsprofessor und Finanzexperten Dariusz Rosati ab.

Überlegungen, die Macht Walesas einzuschränken

Nach der Verfassung muß Walesa Minister auf Antrag des Premiers ernennen, eine Formulierung, die Walesa stets als Möglichkeit, Kandidaten auch abzulehnen, interpretiert hat. Rosati hatte bis zu seiner Ablehnung durch Walesa als sicherer Kandidat gegolten, da den Sozialdemokraten das Amt aufgrund der Koalitionsvereinbarung zusteht, und Rosati wegen seiner liberalen Ansichten und Qualifikationen auch den bisherigen Kriterien Walesas entsprach. Daß er ihn dennoch ablehnte, begründete ein Sprecher der Präsidentenkanzlei mit der Verwicklung Rosatis in den Skandal um die Veruntreuung zweistelliger Millionenbeträge in US-Dollar aus dem polnischen Auslandsschuldenfonds. Gegen Rostati, der im Aufsichtsrat des Fonds saß, wurde allerdings nie ermittelt. Als weiteren Grund gab die Kanzlei an, Rosati sei die letzten Jahre im Ausland gewesen und daher mit den wirtschaftlichen Verhältnissen in Polen nicht vertraut.

Rechnerische Mehrheit der Koalition

Die Sozialdemokraten hatten Rosati zu ihrem Kandidaten gemacht, nachdem ihr bisheriger Finanzminister Marek Borowski wegen Meinungsverschiedenheiten mit Pawlak über die Privatisierung zurückgetreten war. Pawlak hatte zuvor Borowskis Stellvertreter ohne Rücksprache mit Borowski abberufen. Die Folge war eine Koalitionskrise, die nun durch die Ernennung Rosatis beigelegt werden sollte.

Borowski, einer der führenden Wirtschaftsexperten der Sozialdemokraten, äußerte inzwischen, man müsse sich überlegen, ob man nicht die Macht Walesas per Verfassungsänderung einschränke, wenn der Präsident weiterhin einen Konfrontationskurs gegen die Regierung fahre. Rechnerisch hätte die Koalition für eine solche Verfassungsänderung eine Mehrheit. Zweifelhaft ist allerdings auch, ob Premier Pawlaks Bauernpartei in diesem Machtkampf nun wirklich auf Seiten der Sozialdemokraten steht.

Am gleichen Tag, als Walesa die Kandidatur Rosatis ablehnte, ernannte Premier Pawlak nämlich einen Abgeordneten seiner Partei zum neuen Vizefinanzminister – eine weitere Ohrfeige für die Sozialdemokraten, deren Einfluß auf das eigentlich ihnen zustehende Finanzministerium damit weiter schwindet.

Es gilt in Warschau als offenes Geheimnis, daß Walesas Versuche, den Einfluß der Sozialdemokraten zurückzudrängen, ganz im Sinne von Premier Pawlak sind, der in dem Machtkampf die besseren Karten hat. Zur Not könnte die Bauernpartei nämlich auch ohne die Sozialdemokraten eine regierungsfähige Mehrheit zustandebringen. Umgekehrt haben die Sozialdemokraten diese Möglichkeit nicht – obwohl sie die letzten Wahlen gewonnen haben. Mit Spannung wird deshalb in Warschau erwartet, wie sie auf den jüngsten Affront von Walesa und Pawlak reagieren werden. Klaus Bachmann