Bonner „Onkellösung“ für Bundesanwaltschaft

■ Nicht qualifizierter Bundesanwalt soll „Innere Sicherheit“ übernehmen

Berlin (taz) – Nach der monatelangen Hängepartie um die Neubesetzung des Postens des Generalbundesanwalts steuert die Bundesregierung jetzt zielstrebig auf einen erneuten personalpolitischen Eklat in der Karlsruher Behörde zu. Bei der bevorstehenden Entscheidung über den Abteilungsleiterposten „Innere Sicherheit“, zuständig für den politisch sensiblen Bereich des Links- und Rechtsextremismus, spielen Qualifikation und Erfahrung offenbar nur eine untergeordnete Rolle.

Nach Informationen der taz schlägt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) auf Anregung ihres Staatssekretärs Ingo Kober (FDP) den Bundesanwalt Volkard Wache (SPD) als Nachfolger des langjährigen Terrorismus-Chefs Gerhard Löchner vor, der Ende Mai in den Ruhestand geht. Wache kommt aus der Spionageabwehr- Abteilung der Bundesanwaltschaft. In punkto „Terrorismusbekämpfung“ gilt er als unbeschriebenes Blatt. 1980 wechselte er aus dem Bonner Justizministerium nach Karlsruhe und hatte dort über vierzehn Jahre keinerlei Kontakt zu seinem neuen Arbeitsbereich, insbesondere nicht zur RAF- Problematik. Dafür ist Wache aber mit dem für die Bundesanwaltschaft zuständigen Staatssekretär Kober persönlich befreundet. Kobers Frau ist Patentante eines Wache-Sprößlings, weshalb der Personalvorschlag behördenintern – nicht ganz korrekt – unter der süffisanten Formel „die Onkellösung“ gehandelt wird.

Nach der allseits begrüßten Ernennung Kay Nehms zum Generalbundesanwalt droht dem Haussegen in Karlsruhe mit der bevorstehenden Berufung, die das Bundeskabinett in dieser Woche absegnen soll, erneut eine empfindliche Schieflage. Zwar dürften persönliche Freundschaften einer derartigen Stellenbesetzung nicht grundsätzlich im Wege stehen, heißt es behördenintern. Fragwürdig würde die Angelegenheit jedoch, wenn, wie in diesem Fall, begründete Zweifel an der Qualifikation bestünden und diese mit einer solchen persönlichen Verbindung zusammenträfen. Generalbundesanwalt Nehm selbst erklärte gegenüber der taz, der Vorschlag aus Bonn finde seine „volle Zustimmung“, obwohl Wache nicht sein ursprünglicher Kandidat gewesen sei, und obwohl die persönliche Verbindung zu Staatssekretär Kober durchaus als problematisch empfunden wurde.

Wache, der nun im Justizministerium überschwenglich als „brillanter Kopf“ gefeiert wird, war bei der Stellenbesetzung keineswegs erste Wahl. Monatelang hatte sich das BMJ auf der Suche nach einem Löchner-Nachfolger umgetan und dabei eine Reihe von Körben kassiert, insbesondere von Kandidaten aus der Behörde selbst.

Anläßlich der feierlichen Amtseinführung des neuen Generalbundesanwalts in der vorletzten Woche hatte der stellvertretende Abteilungsleiter „Innere Sicherheit“, Peter Zeiss, Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger noch einmal unmißverständlich zu einer sach- und fachgerechten Entscheidung aufgefordert. „Was wir brauchen“, drängte der Bundesanwalt, der in seiner Eigenschaft als Personalratsvorsitzender sprach, „ist ein in der Terrorismusbekämpfung erfahrener und sachkundiger Abteilungsleiter, der außerdem noch über menschliche Qualitäten ... verfügt.“ Hinterher wollte sich Zeiss weder zu der intern bekanntgegebenen Wache- Berufung äußern noch zu der Frage, an wen er denn gedacht habe.

Gepaßt hätte sein „Anforderungsprofil“ auf den früheren Bundesanwalt und langjährigen Leiter des Referats „Fahndung und Rechtshilfe“, Wolfgang Pfaff. Der war 1992 nach über fünfzehn Jahren in der Bundesanwaltschaft von Karlsruhe nach Potsdam gewechselt, wo er Chef des Verfassungsschutzes wurde. Seine Rückkehr hätten manche seiner früheren Kollegen in der Terrorismus-Abteilung gern gesehen. Doch Pfaff wurde von Nehm nicht gefragt. Er gilt als entschiedener Verfechter einer sogenannten „politischen Linie“ in der Auseinandersetzung mit der RAF und Gegner der derzeit laufenden Prozesse gegen bereits zu Langzeitstrafen verurteilte RAF-Gefangene. Insofern ist die bevorstehende Stellenbesetzung auch ein Signal. Gerd Rosenkranz