„Die sollen sich an die Spielregeln halten“

■ Interview mit dem Potsdamer Baustadtrat Detlef Kaminski, der sich in der Rolle des Hardliners gefällt: Ihm sind Hausbesetzungen und Hausbesetzer ein Dorn im Auge

taz: Herr Kaminski, schmeichelt es Ihnen, als Hardliner bezeichnet zu werden?

Kaminski: Das klingt negativ, aber wenn mich alle liebten, wäre ich kein guter Baustadtrat.

Wann haben Sie zum letzten Mal mit Besetzern gesprochen?

Richtig gesprochen? Im November 93 saßen zwei Abgesandte der Hausbesetzerszene am Tisch der evangelischen Kirche, um ihre Forderungen kundzutun.

Die besetzten Häuser sind Ihnen ein Dorn im Auge. Vor kurzem haben Sie drei Ausweichquartiere angeboten: ramponierte Häuser, die am Stadtrand liegen. Die Nutzungsverträge sollen nur drei Jahre gelten. Ist das die Lösung eines gesellschaftlichen Problems?

Drei Jahre sind doch beser als nichts. Außerdem streben wir bei einem Objekt sogar einen 20 Jahre währenden Vertrag an.

So spalten Sie die Szene doch ganz bewußt...

Ja, ganz bewußt.

Wie viele Menschen fänden denn in den angebotenen Ausweichquartieren Platz?

Etwa 150. Wenn mir das gelingt, wäre das fast die hundertprozentige Erledigung eines Problems. Wenn mir das doch nur bei den 10.000 Wohnungssuchenden gelänge, die mit einem Wohnberechtigungsschein vor der Tür warten...

Ein ehemals besetztes Haus hat bereits einen solchen Nutzungsvertrag, befristet bis 1995. Was geschieht danach?

Solange die sich an die Spielregeln halten, wird die keiner dort rausholen.

Und was wäre gegen die Spielregeln?

Wenn aus dem Haus zu Gewalt aufgerufen wird, wenn von dort Anheizparolen gegen die Stadtverwaltung, gegen einzelne Trägergruppen oder gegen diejenigen, die den Kreislauf der Gewalt verlassen wollen, gestartet werden.

Was wäre denn so eine Parole?

Wenn direkt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Innenstadt aufgerufen wird. Nehmen Sie die Zeitschrift, die auch in der Dortu 65 vertrieben wird. Da ist auf der Rückseite ein Bild, wo jemand ein Maschinengewehr in der Hand hält. Darunter heißt es: Wir können auch anders. So etwas liegt außerhalb dessen, was man als verträglich betrachten kann.

Aber das ist doch das Plakat für Detlev Bucks gleichnamigen Ossi- Film. Der hat doch sogar den Bundesfilmpreis 1993 bekommen.

Wissen Sie, seit ich die Waffen gesehen habe, die aus der Dortu 3 herausgeholt wurden, sehe ich das nicht mehr so lax. Es ist definitiv gesagt worden: Kaminski, wir kriegen dich auch. Seitdem bin ich vorsichtiger geworden.

Sie befürworten also die Räumung eines Hauses wegen eines Filmplakats. Haben Sie das mit einem Staatsanwalt abgesprochen?

Wieso sollte ich?

An welchen Paragraphen des Strafgesetzbuches dachten Sie als Grundlage für die Räumung eines Hauses, das nicht durch eine Waffensammlung, sondern durch ein paar harmlose Pamphlete aufgefallen ist?

Das ist doch jetzt nicht die Frage. Die sollen sich an die Spielregeln halten.

Was finden Sie eigentlich so schrecklich an Hausbesetzern?

Haben Sie in der Nähe vom Berliner Ku'damm Hausbesetzer? Haben sie in Frankfurt direkt neben den Haupteinkaufstraßen Besetzer? Ich kenne keine. Warum sollte das hier in Potsdam passieren. Bei den Grundstückspreisen hier wird es nicht möglich sein, solche Hausbesetzerprojekte in der Innenstadt umzusetzen. Es gibt Eigentümer, in der Gutenbergstraße etwa, die berichten von Problemen, ihre Häuser zu vermieten, weil die Besetzer dort sind.

Sie wissen, daß die Konflikte auch von einer Bürgerwehr angeheizt werden?

Ja. Im November saßen einige Geschäftsleute beim Oberbürgermeister und haben gesagt: Entweder schaffen Sie das Problem aus der Welt, oder wir müssen selbst Hand anlegen.

Ihre Reaktion darauf?

Die behalte ich im Auge und nehme sie ernst.

Daß Sie nicht in ein besetzes Haus gehen, ist bekannt. Aber warum fordern Sie den Rücktritt Ihres Kollegen Eschenberg, Kulturstadtrat, weil er sich einmal mit Besetzern im Haus treffen wollte?

Er hat sich nicht an die vom Oberbürgermeister ausgegebene Linie gehalten. Und wenn er sich nicht an die Beschlüsse hält, muß er die Konsequenzen ziehen und den Magistrat verlassen.

Ihre älteste Tochter ist 14. Was würden Sie sagen, wenn die Gefallen an Hausbesetzungen fände?

Ich würd's nicht verhindern können. Aber ich glaube, daß die Gespräche, die wir zu Hause führen, sich gewaltig von denen aus kaputten Elternhäusern unterscheiden.

Besetzer kommen aus kaputten Elternhäusern?

Eine ganze Menge von denen. Eltern sind teilweise mitverantwortlich. Aber das hat auch etwas mit dem Umbruch hier im Osten zu tun. Und deswegen ist das ein gesellschaftliches Problem und nicht eins der Stadtverwaltung.