Das Kriterium bin ich!

■ „Rosa Prosa“: Das hemmungslose Magazin für Lesben- und Schwulenliteratur lebt

„Ganz besonders gefallen mir Geschichten, wenn mir sympathische Männer vorgestellt werden, wenn ich mit selbst erlebten Liebes- oder Kennenlernszenen konfrontiert werde oder wenn mich die Spannung so mitreißt, daß ich die ganze Nacht hindurch wachbleibe und lese.“ Ja, darf der das denn, der Kritiker? So einfach aus Lust am Lesen lesen, und anschließend nach persönlichem Gefallen sein Urteil fällen? Im Prinzip nein; aber in der „Rosa Prosa“ ist das was anderes. Denn die Zeitschrift lebt von der unverdrossen subjektiven(und dabei kenntnisreichen) Schreibe ihrer Autorinnen und Autoren (wie der o.g. „michael“). Denn so ist's schon Brauch im Muttermagazin, den „Rosigen Zeiten“, die seit fünf Jahren über die entlegeneren Seiten der Lesben- und Schwulenliteratur informieren. In d

er Sondernummer „Rosa Zeiten“ wird nun in konzentrierter, und doch auch recht hübsch verstreuter Form eine Auswahl an „schönen, schnulzigen, schnöden, langweiligen und launigen Büchern vorgestellt.

Auf 20 großzügig layouteten Seiten im Format A2 breitet die rosa Redaktion ihre gesammelten Schätze aus. Wobei der Literaturbegriff schon recht weit gefaßt wird: Neben Gedichtbänden und Romanen (mit einem besonders liebevollen Blick auf die Krimis) werden auch Lach- und Sachgeschichten vorgestellt. Vom „bunten Markt der Psycholiteratur“ berichtet z.B. die Rezensentin „britta“. Selbst hinter eher unspektakulären Titeln wie „Psychotherapie mit lesbischen Klientinnen“ entdeckt sie Spannendes; sie lobt die Parteilichkeit der Autorinnen und bringt das Kunststück fertig, mehrere Bücher zu einer schönen These zu verarbeiten: Daß nämlich „weibliche Sexualität einer tiefen weiblichen Ursehnsucht nach dem eigenen Selbst enspringt und die weibliche Psyche das Lesbische intendiert.“

Ansonsten geht die Redaktion mit dem großen Rest der Lesben- und Schwulenliteratur ziemlich ungnädig um. Ärger über die penetranten Klischees begleitet jede zweite Rezension, dabei will man ja eigentlich „lieber gute Bücher empfehlen“. So freut sich „gudrun“ über Jeanette Wintersons „Orangen sind nicht die einzigen Früchte“: „Ein Lesbenbuch, das sich wohltuend von den meist schlecht geschriebenen Krimis und Lesben-Frustbüchern abhebt.“

Am schönsten aber liest sich das Editorial: Dort schauen die Kritikerinnen und Kritiker sich selbst über die Schulter und legen dem Publikum schonungslos ihre Kriterien offen (s.o.). Am Ende bleibt „georgs“ Bekenntnis: „Das wichtigste Kriterium bin ich.“ tom

„Rosa Prosa“ Nr.2, erhältlich gegen 3 Mark Rückporto bei „Rosige Zeiten“, Postfach 3804, 26028 Oldenburg