Ein ehrgeiziger Mann

■ Malaysias Premier Mahathir verbietet „Schindlers Liste“ / Sucht Sympathien bei Muslimen im eigenen Land und weltweit

Bangkok (taz) – Die Entscheidung der malaysischen Regierung, die Aufführung des neuesten Films von Steven Spielberg „Schindlers Liste“ zu verbieten, ist nur der jüngste einer Reihe von bemerkenswerten Aktionen des malaysischen Premierministers Mahathir Mohamad. Die Zensurbehörde des Landes hatte erklärt, der Film stelle nur die „Vorzüge und Tugenden einer gewissen Rasse“ dar. Dazu erklärte Mahathir: „Ich bin nicht antisemitisch. Ich bin gegen die zionistische Expansion und die Eroberung arabischer Territorien durch Zionisten.“

Zwar geht es in dem Film keineswegs um „zionistische Expansion und die Eroberung arabischer Territorien“. Doch die Tatsache, daß er diese Formulierung wählte, zeigt, daß er mit dem Aufführungsverbot vor allem bei den Muslimen im eigenen Land – und möglicherweise auch andernorts – Punkte machen wollte. Er möchte wieder einmal demonstrieren, daß der malaysische Premierminister das ist, was er gerne sein will: ein bedeutender Führer der Dritten Welt. „Wir haben das Recht, jeden Film zu verbieten. Es gibt keinen Grund, zu protestieren“, hatte Mahathir hinzugefügt.

Dies ist nicht der erste kontroverse Schritt Mahathirs auf der internationalen Bühne. Vor wenigen Wochen erst hatte er angekündigt, Verträge mit britischen Firmen seien gefährdet, weil die britische Sunday Times Artikel veröffentlicht hatte, in denen die Vermutung geäußert wurde, britische Firmen hätten ihn schmieren wollen. Darüber hinaus initiierte er eine „Kauft britische Waren zuletzt“- Kampagne – ganz ähnlich wie seine gegen australische Importe gerichtete Kampagne im vergangenen Jahr. Damals hatten australische Medien den Premierminister des fünften Kontinents, Paul Keating, zitiert, der Mahathir einen „Verhinderer“ nannte, weil der Malaysier nicht an einem asiatisch-pazifischen Gipfeltreffen im US-amerikanischen Seattle teilnehmen wollte.

Für den ehrgeizigen Mahathir kam der Ruch von Korruption und Spielverderberei als harter Schlag. „Er kann nicht verstehen, daß eine freie Presse unabhängig von den Herrschenden sein muß. In seinem Land sind die Medien Sprachrohr für die Regierung“, meint ein Diplomat in Bangkok.

Als Mahathir im Jahr 1981 malaysischer Premierminister wurde, sorgten sich viele Beobachter über seinen politischen Hintergrund. In den Sechzigern war er als muslimischer Aktivist so radikal aufgetreten, daß er aus der United Malay National Organisation (Umno) ausgeschlossen wurde. Die Umno ist die wichtigste Partei der mehrheitlich muslimischen Malayen, die rund 60 Prozent der Bevölkerung Malaysias stellen. Sein Buch „The Malay Dilemma“ galt als potentiell explosiv in einem Land, in dem fast ein Drittel der Einwohner Chinesen sind. Dies besonders, da diese chinesische Minderheit damals wie heute die wichtigste wirtschaftliche Kraft des Landes stellt. Seit den antichinesischen Unruhen Ende der sechziger Jahre gilt die Bewahrung des ethnischen Gleichgewichts als eine der wichtigsten Aufgaben der jeweiligen Regierung.

Umstrittener noch als Mahathir selbst ist sein Vizepremierminister, Anwar Ibrahim, der die Erklärung über die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Großbritannien verlesen hatte. Bevor er Mitte der achtziger Jahre in die Regierungspartei Umno geholt wurde, war er Chef der militant islamistischen Jugendorganisation Abim. Damals schmückten Portraits des iranischen Ayatollah Chomeini sein Büro.

Jetzt hat Mahathir versucht, seine Popularität zu stärken, indem er „Schindlers Liste“ verbot. Das könnte ihm in einigen Ländern mit starken islamistischen Tendenzen Sympathien einbringen. Doch in den meisten südostasiatischen Ländern erscheint Mahathir insgesamt als eine eher seltsame Persönlichkeit. Ein bißchen wie der frühere indonesische Staatschef Sukarno, autoritär, extravagant. Ein Mann, der gerne mit Worten auf den Westen und sogar auf die Vereinten Nationen einschlug, wenn es seinen eigenen politischen Zwecken diente. Bertil Lintner