„Ich bin ein Green-Pisser“

■ Umweltschützer wegen Siemens-Parolen vor Gericht / Richter senkt Buße

Gerold Janssen genoß es sichtlich, gestern vor dem Bremer Amtsgericht so richtig auspacken zu dürfen. „Ich bin ein Green-Pisser“, erklärte er dem Richter und der zahlreich vertretenen Öffentlichkeit, „ich arbeite ähnlich wie Greenpeace, aber ohne Organisation und ohne finanzielle Unterstützung.“ Und: „Niemand ahnt die Mühen“, die hinter kleinen Erfolgen stehen.

Etwa hinter dem relativen Erfolg in Sachen Siemens-Ansiedlung: Noch zu SPD-Zeiten hatte der Bremer Senat dem Konzern ein 10 Hektar großen Baugrundstück im Technologie-Park versprochen, Janssen will wenigstens ein Stück davon für die Natur und als „Erlebnisraum“ für die Menschen erhalten. Die bescheidenen Mittel, die der Umweltschützer Janssen hat: 1. die Drohung, mit Einsprüchen die Genehmigungsverfahren zu verlängern und 2. die Drohung, das Image des Konzerns zu beschädigen. Und das tut er mit Nachdruck. Wegen diverser Parolen, mit denen Janssen den „Mord an der Natur“ durch Siemens und den Senat angeprangert hat, stand er gestern vor dem Amtsgericht. „Ich habe gemalt“, erklärte der Rentner Jahrgang 1923 freimütig, drei oder vier Nächte Arbeit: Erst mußte die Fläche am Autobahnzubringer nämlich von Grafittis befreit und weiß vorgestrichen werden, dann kam eine erste Parole, die wurde offiziell überstrichen. In der ersten Nacht waren es noch drei, in der zweiten zwei, in der dritten Nacht malte Janssen allein die Parole, die heute noch da steht: „Senat zahlt vier Millionen für Mord an der Natur für S... “. Da unterbrach ihn die Polizei, von Taxifahrern alarmiert. Janssen durfte mit seinem Farbeimer in ein Gebüsch gehen, wartete, bis die Ordnungshüter weg waren, und vervollständigte die Parole um „Siemens-AG“. Als die Baubehörde keine Strafanzeige stellte, schickte das Stadtamt Janssen einen Bußgeldbescheid mit der Höchststrafe – 500 Mark. Den Höchstsatz von 500 Mark sollte er auch bezahlen für andere Straßen-Parolen, ein „politischer Preis“, sagte Janssen vor Gericht.

In dem Bemühen, Druck auf den Konzern zu machen, damit der seinen Flächenbedarf konkretisiert und eine Lücke für die Natur läßt, steht Janssen allein. Siemens hat nicht einal einen Bauantrag gestellt, was man in den bremischen Behörden zwar registriert, aber keine Schlußfolgerungen daraus zieht. Der Spottpreis von 120/130 Mark pro Quadratmeter ist auch nicht geeignet, den Konzern darüber nachdenken zu lassen, wieviel Platz er wirklich braucht. Der Wirtschaftssenator hat schon angekündigt, daß, wenn Janssen Erfolg hat, die eingesparte Fläche an andere Unternehmen vergeben werden soll.

Aber Janssen, der für seine Zähigkeit im Hollerland das Bundesverdienstkreuz bekommen hat, gibt so schnell nicht auf. „Es steht gut für Uni-Ost“, verkündete er von der Anklagebank des Bremer Amtsgerichtes. 1150 Einwendungen gegen die Verfüllung von 1800 Metern Gräben hat er gesammelt, und vor allem sind die gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleichsmaßnahmen, die jenseits der Autobahn geplant sind, teuer. Staatsrat Lahl: „Die Bauern wollen nicht zu dem Preis verkaufen, den wir angeboten haben“.

Vor Gericht hatte Janssen immerhin einen relativen Erfolg, der Richter ging auf ein Viertel der Bußgeld-Summe zurück, also 250 statt 1.000 Mark

K.W.

Weil es eben eine Gefährdung der durch die Parolen abgelenkten Autofahrer gebe, verbiete die Straßenordnung derartige „Ordnungswidrigkeiten“. Janssen sah das ein, blieb aber dabei, daß „der Mut zum Chaotentum“, wie ziviler Ungehorsam zur Demokratie dazugehören. Er sei einer der wenigen, die nicht sagen würden: Die da oben machen doch, was sie wollen.

„Ich werde das Bußgeld persönlich nicht bezahlen“, kündigte Janssen stolz dem Gericht an. Er will die Bremer Umweltschützer auffordern, auf das Sonderkonto des BUND, 1021922, bei der Sparkasse zu spenden - für den sein Bußgeld und für den Umweltschutz. Und beim nächsten Bußgeld wolle er sich vors Rathaus setzen und die Summe zusammenbetteln. K.W.