Streichquartett für Fische

■ das etwas andere Fest: Wer Restaurants satt hat zum Feiern von irgendwas, kann sich das Berliner Aquarium mieten / Lachs-Canap s zwischen Quallen, Krokodilen und HAien

Während dem Herrn Direktor beim Anblick des reichhaltigen Buffets das Wasser im Munde zusammenläuft und er sich die leckeren Scampis auf den Teller schaufelt, schleicht sich von hinten ein Hammerhai heran und beäugt neugierig den hungrigen Zweibeiner, der sich in sein Jagdrevier verirrt hat. Alles kein Grund zur Panik – wenn im Berliner Aquarium zum Festempfang eingeladen wird, bleiben die Haifische in ihren Becken. Ob Banken, Versicherungen, Medizinerkongresse oder Privatleute: Jeder, der will, kann sich und seinen Gästen einen unvergeßlichen Abend zwischen Krokodilen, Quallen, Papageifischen und Korallen schenken. Für 1.000 Mark Miete die Stunde bekommt man ein ausgeflipptes Ambiente für seine Feten geboten.

Kürzlich hatte sich ein Hautkongreß angemeldet, erzählt der wissenschaftliche Direktor des Aquariums, Jürgen Lange. Er findet es auch gar nicht weit hergeholt, daß die Mediziner ihre Party unbedingt dort feiern wollten. Schließlich würden mit einigen der ausgestellten Quallenarten Forschungen zur Therapie von Sonnenbrand betrieben. Außerdem würden manche Lurche Hautgifte absondern, die als Therapeutikum verwendet würden. Daß das Ganze trotzdem ein bißchen spleenig ist, gibt er ja gerne zu, doch warum soll man sich immer in den gleichen öden Bankettsälen der Hotels treffen, wenn es etwas zu feiern gibt?

Richtig viel los war bei der Dino-Party im Anschluß an die Berliner Premiere des Spielberg-Films „Jurassic Park“. Rund 700 Leute hätten sich da im Terrarium die Füße plattgestanden, erinnert sich Lange. Die Brückenechsen hätten das jedoch ganz gelassen gesehen, schließlich haben die ja schon das Kommen und Gehen der Dinos vor ein paar Millionen Jahren miterlebt. Die ungewöhnliche Idee zur Vermietung der Räume hat Jürgen Lange von einem Besuch in Amerika mitgebracht. Dort seien ähnliche Einrichtungen an sechs Abenden in der Woche ausgebucht. Als Aktiengesellschaft müsse man sich halt etwas einfallen lassen, um zu Geld zu kommen.

Nur laute Musik ist verboten, denn die Schallwellen übertragen sich auf das Wasser. Ein Streichquartett hingegen sei kein Problem, dagegen könnten auch die Fische nichts haben.

Im Juni findet sich eine Herzschrittmacher-Firma im Aquarium ein. Für Lange eine sehr gelungene Kombination, schließlich hängen seine Fische gewissermaßen wie Patienten auch am Tropf: Der technische Aufwand für die Versorgung der empfindlichen Arten ist enorm. Neulich hatte ein israelisches Reisebüro seine Kunden ins Aquarium eingeladen. Die bunten Südseefische in den Becken seien dieselben wie vor den Küsten Israels, meinten die Reiseprofis. Auch eine Kamerafirma lud schon ins Aquarium zum Dinner ein. Begründung: Die Becken seien so eine Art „lebende Fernsehschirme“.

Um das Essen müssen sich die Veranstalter selbst kümmern. Daß die meisten sich von einer Catering-Firma vor allem mit Fisch-Delikatessen – teilweise im Originalzustand in den Becken zu bewundern – beliefern lassen, liegt da auf der Hand.

Der Hammerhai nimmt den Trubel um seine Flossen ganz gelassen und dreht vor dem Herrn Direktor wieder ab. Über mangelhafte Ernährung können er und seine Artgenossen sich nicht beklagen. Was die Zweibeiner kriegen, ist für ihn nämlich nichts Neues. Pro Jahr werden an die Tiere 1.200 Kilo Calamaris und 800 Kilo Schrimps verfüttert. Matthias Sobolewski (ADN)