Kroatien: Opposition vor dem Militärgericht

■ Prozeß gegen Regionalpartei vertagt

Split (taz) – Mit einem Eklat endete gestern vorerst der Militärprozeß gegen die oppositionelle „Dalmatinische Aktion“ in Split. Der Hauptbelastungszeuge und Angeklagte, Jurica Gilić, brach wie am Vortag im Gerichtssaal zusammen und konnte wegen eines epileptischen Anfalls keine Aussagen mehr machen. Die Fortsetzung des Prozesses, für viele Kroaten ein Gradmesser für die demokratische Reife des Landes, wurde vom Vorsitzenden Militärrichter Dalibor Dukić auf den 25. April verschoben.

„Mit diesem Prozeß wird eine entscheidende Weiche für die Zukunft des Landes gestellt“, erklärte gestern Mira Ljubić-Lorgerer, die Vorsitzende der „Dalmatinischen Aktion“, in Split. Denn das Verfahren vor dem Militärtribunal gegen sieben führende Mitglieder der kroatischen Regionalpartei und gegen zwei weitere Angeklagte werde zeigen, in welche Richtung die kroatische Regierung und Präsident Franjo Tudjman politisch sich bewegen wollen, in Richtung Diktatur oder in Richtung Demokratie, erklärte die Parlamentsabgeordnete gegenüber der taz.

Vorgeworfen wird den neun Angeklagten nicht weniger, als am 28. September 1993 eine Bombe im eigenen Parteibüro in Split zur Explosion gebracht zu haben. Dies ist ein Vorwurf, der von den Angeklagten als „absurd und fingiert“ tituliert wird. Durch „das Erpressen von Geständnissen“ habe die Staatsgewalt versucht, die in Dalmatien populäre Regionalpartei (rund 20 Prozent der Stimmen, in der Stadt Split 28 Prozent) zu treffen und als gefährliche Konkurrenz der Regierungspartei HDZ auszuschalten. Das Verfahren werde zudem nicht vor einem zivilen, sondern vor einem Militärgericht durchgeführt, protestierten die Angeklagten. Dies wurde allerdings aufgrund eines Dekrets des Präsidenten möglich, demgemäß in kriegsähnlichen Umständen – offiziell gibt es ja keine Kriegserklärungen der kämpfenden Parteien – alle Delikte in Zusammenhang mit „Terrorismus“ den Militärgerichten zugewiesen werden.

Als der Militärrichter Dalibor Dukić am Montag morgen die Verhandlung eröffnete und die Anklage verlesen ließ, versuchte die Verteidigung – eine ansehnliche Zahl von in Kroatien geschätzten Rechtsanwälten, unter ihnen der bekannte Menschenrechtsanwalt Slobodan Budak –, die Dinge beim Namen zu nennen. Die Anklage, so die Rechtsanwälte, stütze sich auf Aussagen, die von der Polizei mit Gewalt erpreßt worden seien. Auch der Hauptbelastungszeuge und „Mittäter“ Jurica Gilić ist nach Ansicht der Rechtsbeistände geschlagen und so zu belastenden Aussagen bewegt worden. Weiterhin verurteilten die Verteidiger die über 90 Tage währende Haft für die Angeklagten. Keine der Anschuldigungen sei erwiesen worden.

Die Aussage des erst 20jährigen Jurica Gilić war auf diesem Hintergrund mit großer Spannung erwartet worden. Hätte der ehemalige „Bote“ der Partei seine von der Polizei erpreßten Aussagen widerrufen, so müßte das Gericht die Angeklagten aller Voraussicht nach freisprechen. Genau darauf zielt die Verteidigung. Sie will den Prozeß weiterführen, „um den Makel, der durch die Anschuldigungen auf die Partei gefallen ist, zu beseitigen“, erklärte Frau Lorgerer, deren Ehemann Srčko ebenfalls zu den Angeklagten gehört. Frau Lorgerer wurde von einem Rollkommando der Polizei am 11. Oktober aus ihrer Wohnung vertrieben. „Es besteht die Gefahr, daß die wahren Verantwortlichen für den Anschlag und für die nachfolgenden Taten nicht zur Rechenschaft gezogen werden.“ Deshalb ruft die Vorsitzende der Partei alle demokratischen Kräfte, auch im Ausland, dazu auf, Zagreb zur Einhaltung demokratischer Prinzipien aufzufordern. Erich Rathfelder