Bosnische Serben: Widerstand gegen Karadžić

■ Muslime und Kroaten verschieben Parlamentsbeschluß über neue Föderation

Genf/Sarajevo (taz) – Die Verabschiedung der Verfassung für die neu zu schaffende muslimisch- kroatische Föderation in Bosnien- Herzegowina mußte gestern erneut verschoben werden. Die Beratungen der kroatischen und muslimischen Abgeordneten im schon vor dem Krieg 1990 gewählten Parlament in Sarajevo verzögerten sich wegen des verspäteten Eintreffens einiger kroatischer Abgeordneter aus Split. Die UNO hatte es versäumt, rechtzeitig Ausnahmegenehmigungen für den Flug einiger Parlamentarier aus der kroatischen Hafenstadt zu erteilen.

Die erforderliche Zweidrittelmehrheit zur Annahme der Verfassung galt gestern trotzdem als gesichert. Das Parlament, aus dem die serbischen Abgeordneten nach dem Referendum über die Unabhängigkeit Bosnien-Herzegowinas von Ex-Jugoslawien im Frühjahr 1992 ausgezogen waren, wollte gestern auch den bosnischen Kroatenführer Krešimir Zubak zum ersten Präsidenten der neuen Föderation und den bisherigen Premierminister Bosniens, den Muslim Haris Silajdžić, zum Regierungschef wählen. Laut Verfassung werden diese Posten künftig jeweils nach einem Jahr von einem Mitglied der jeweils anderen Volksgruppe übernommen. Der bisherige Präsident Alija Izetbegović übernimmt wieder die Führung der „Partei der demokratischen Aktion“ (SDA), der größten politischen Organisation der bosnischen Muslime.

Radovan Karadžić dagegen wird möglicherweise bald von seiner Rolle als Führer der bosnischen Serben zurücktreten müssen. In Sarajevo gründeten am Sonntag 482 Serben, die nach eigenen Angaben rund 200.000 Mitglieder ihrer Volksgruppe aus der bosnischen Hauptstadt, aus Tuzla und anderen „freien Gebieten Bosniens“ repräsentierten, einen „Serbischen Bürgerrat“. In einer Abschlußerklärung lehnte die Versammlung ausdrücklich die auf die Teilung Bosniens angelegte Politik Karadžićs ab und forderte die „Erhaltung der bosnischen Einheit“, eine Beteiligung der Serben an der kroatisch-muslimischen Föderation, „Pluralismus“ und die „Wahrung der Menschenrechte“. Auf ähnlichen Versammlungen hatten sich bosnische Kroaten seit Ende letzten Jahres öffentlich gegen die Politik des westherzegowinischen Kroatenchefs Mate Boban gewandt, den UN und EU 18 Monate lang als Vertreter aller bosnischen Kroaten am Genfer Verhandlungstisch behandelt hatten, und schließlich dessen Absetzung erreicht.

In der russischen Botschaft in Zagreb wurden derweil die Anfang letzter Woche ergebnislos unterbrochenen Verhandlungen zwischen der kroatischen Regierung und den Krajina-Serben wiederaufgenommen. Andreas Zumach