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Staaten vor Gericht

■ Tribunal will BRD und andere Länder wegen Einwanderungspolitik anklagen

Berlin (taz) – In immer mehr europäischen Ländern gilt das Recht auf Asyl nur noch eingeschränkt: Denn seit der Änderung des Artikel 16 in der Bundesrepublik zogen bereits Frankreich und die Niederlande nach und machten ihre Schotten für Flüchtlinge mit Änderungen des Asyl- und Ausländergesetzes weitgehend dicht. Immer mehr Grenzschützer werden an innereuropäischen Grenzen eingesetzt, um Ankommende umgehend zurückzuschieben.

Vor einem „Ständigen Tribunal der Völker“ unter Federführung der internationalen Basso-Stiftung sollen nun die europäischen Nationalstaaten und die Europäische Union (EU) im Dezember dieses Jahres in Berlin ihrer Abschottungspolitik wegen angeklagt werden. Das Tribunal will klären, inwieweit die Asylpolitik der EU- und Efta-Staaten im Widerspruch zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der Genfer Flüchtlingskonvention sowie zu sonstigen internationalen Rechtsstandards steht und grundlegende Rechte von Flüchtlingen verletzt. Das Urteil soll den Vereinten Nationen sowie anderen nationalen und internationalen Organisationen übermittelt werden.

Die „Basso-Stiftung“, der 60 Juristen, Politiker, Wissenschaftler und Literaten aus verschiedenen Kontinenten angehören, wurde 1979 als Nachfolgeorganisation des Bertrand-Russel-Kriegsverbrecher-Tribunals gegründet. Sie versteht sich seither als quasi juristisches Forum, das die Verletzung von Rechten der Völker und Menschen untersucht und öffentlich macht. Bisher wurden 18 Sitzungen des Tribunals unter anderem zu der Politik des IWF und der Weltbank, zur Menschenrechtssituation in Ost-Timor, Guatemala und El Salvador abgehalten.

Anlaß für die Organisation eines Tribunals zum Asylrecht in Europa war die Grundgesetzänderung im Mai 1993. Bis Dezember dieses Jahres wollen die Organisatoren, die sich aus Flüchtlings- und Antirassismusinitiativen zusammensetzen, ein dreitägiges Programm konzipieren. Dabei sollen die vier Länder Deutschland, Spanien, Frankreich und die Schweiz exemplarisch angeklagt werden, mit Politik und Praxis von Einreise und Zugang, Abschiebung, Behandlung von Flüchtlingen, der Anerkennung von Asylsuchenden sowie des Einsatzes von Polizei und Geheimdiensten Flüchtinge und MigrantInnen in ihren Rechten einzuschränken. Zeugen und JuristInnen aus verschiedenen Ländern sollen vor der elfköpfigen Jury aus Mitgliedern der Basso- Stiftung die Bedingungen, denen Asylsuchende ausgesetzt sind, schildern.

Weiter sollen vor dem Tribunal die Ursachen und Rahmenbedingungen von Flucht erörtert werden. Nach einem Plädoyer von Anklage und Verteidigung wird am 12. Dezember in Berlin der Urteilsspruch der Jury verkündet. Jeannette Goddar

Kontakt: Sekretariat des Basso-Tribunals zum Asylrecht in Europa, c/o KUB, Oranienstr. 159, 10969 Berlin

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