„Jetzt steht keiner mehr untätig herum, statt zu arbeiten“

■ Bilder aus der „rechten“ Provinz im Agro Pontino: Wie Hochburgen des Altfaschismus das Wahlergebnis befeiern

Graziano, seines Zeichens Pedell der Elementarschule von Borgo Hermada, strahlt über das ganze Gesicht: „So“, freut er sich und haut einem vorbeikommenden Jungen so kräftig zwischen die Schultern, daß der fast hinfällt, „jetzt weht ein anderer Wind. Wie ich es gesagt habe: Wir brauchen wieder einen Faschismus.“

Der bisher eher durch unauffällige Freundlichkeit und devote Grußmanieren aufgefallene Mittfünfziger erwartet nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse so etwas wie ein irdisches Paradies – vor allem, „daß jetzt keiner mehr unsere Schule anzündet, unsereinen ungestraft ärgert oder untätig herumsteht, statt zu arbeiten“.

Ideale, die er nach eigenen Angaben aus seiner Kindheit bewahrt hat – „da hat Mussolini für alle gesorgt, und keiner hat sich getraut, etwas gegen öffentliche Gebäude zu unternehmen“. Tief sitzt in Graziano die Erinnerung daran, daß vor drei Tagen ein paar Vandalen in der Schultoilette einige Liter Benzin verspritzt und danach Feuer gelegt haben, was er ungebremst der „schlaffen Demokratie“ anlastet.

Graziano wohnt in einer Gegend, die sozusagen „genuin“ altfaschistisch ist – am Südende des „Agro Pontino“ zwischen Rom und Neapel, den ehemaligen Pontinischen Sümpfen. Deren Trockenlegung wurde während des Faschismus beendet, um Siedlungsland für die Veteranen der diversen Afrika-Feldzüge Italiens zu schaffen. Dafür sind die Alten hier dem „Duce“ noch heute dankbar. In vielen Wohnungen hängt sein Bild an der Wand; zahlreiche Großväter und Großmütter haben ihre Haltung zu dem verehrten Großitaliener in unzähligen Fabeln auf ihre Kinder übertragen.

Zum ersten Mal seit dem Untergang des Faschismus sehen sich die Rechten nicht nur im Aufwind, sondern siegreich: „Vittoria“ – so titelte gestern die Parteizeitung des Movimento Sociale Italiano (MSI) Il Secolo; und da der örtliche Zeitungskiosk seit Jahrzehnten allenfalls zwei Exemplare vorrätig hielt, kursieren nun Hunderte von Fotokopien der Seite im Ort.

Doch es sind nicht nur die Gestrigen, die unvermittelt ein neues Verhalten an den Tag legen. Der Direktor der Banco di Roma klopft im Schalterraum über die Köpfe der Kunden hinweg Politsprüche wie „Aber das ist doch nur logisch, und dieser Rechtsruck hat die Verhältnisse wieder geradegerückt.“ Wenig später erklärt er der Kassiererin, die spöttisch fragt, ob sie „ab morgen eine schwarze Bluse“, die Uniform der Faschisten, anziehen müsse, „daß noch nie Gefahr von einem ausgegangen ist, der eigentlich nur das macht, was wir alle wollen – Geld.“

Willkommen, Herr Berlusconi – vorher las man es anders, als in der Bank diskret Einladungen zu „Wahldiners“ verteilt wurden, die das neugebildete „Zentrum“ um die Mehrheitsfraktion der zerfallenen Christdemokraten unterstützen sollten. Doch die seit fünfundvierzig Jahren auch im Agro Pontino herrschenden Bannerträger des politischen Katholizismus zählen nicht mehr. Nun scheut sich keiner mehr, den Faschistengruß auszubringen, und wer noch – wegen seiner „zentristischen“ Vergangenheit – Skrupel hat, bekennt sich eben zum „Halbrechten“, zu Berlusconi.

War der früher als „notorischer Quereinsteiger“ und „Wilderer“ verschrien, weil er mit seinem angehäuften Kapital in andere Branchen einfiel, scharwenzeln nun Gemeinderäte um die örtlichen Leiter der Berlusconi-Formation „Forza Italia“ herum und fragen bescheiden an, ob der große Glatte aus dem Norden nicht auch in ihrer Stadt ein „Standa“-Kaufhaus errichten könne. „Da winkt wohl wieder Schmiergeld“, mokiert sich die Bankangestellte und handelt sich damit einen tadelnden Blick des Direktors und spitze Bemerkungen eines Kollegen ein. Der, bisher wegen seiner bräunlichen Hautfarbe als „Negerchen“ verspottet, ist plötzlich „stolz, jawohl, stolz darauf, in Äthiopien geboren zu sein“ – zu Zeiten des Mussolini- Feldzugs und selbstverständlich als Sohn eines aufrechten Faschisten. Man ist wieder wer als Rechtsaußen.