Nach der ersten Euphorie angesichts des Wahlerfolges macht sich bei den rechten Parteiführern in Italien schon wieder Ernüchterung breit. Schon in der Wahlnacht zeigte sich die Zerstrittenheit des Rechtsbündnisses. Die Linken schöpfen derweil bereits wieder Hoffnung. Und bald wird schon wieder gewählt. Aus Rom Werner Raith

Ein Erdrutsch ohne Folgen?

Die Siegesfeiern waren in vollem Gange, die hupenden Motorradfahrer mit ihren Rufen „Chiamiamo l'Italia“, (Wir rufen Italien) noch auf den Piazze in ganz Italien unterwegs, als in den Chefetagen der „Sieger“ bereits die Analytiker zusammenkamen und ihre Gallionsfiguren beschworen, die Töne zu dämpfen: Für Euphorie gäbe es nicht den geringsten Anlaß. Selbst die Neofaschisten, die durch die Allianz mit der Bewegung „Forza Italia“ des Mailänder Medientycoon Silvio Berlusconi erstmals seit dem Zusammenbruch des Mussolini-Regimes sozusagen hof-, das heißt koalitionsfähig geworden sind, machten gegen Morgengrauen immer längere Gesichter.

Zwar hatten sie im Abgeordnetenhaus zusammen mit ihren Verbündeten von der „Forza Italia“ und den ihrerseits in Oberitalien mit Berlusconi verbündeten „Ligen“ eine satte Mehrheit der Sitze errungen. Doch dann kamen, gegen Morgen, die Hämmer: Im Senat, der zweiten Kammer des Parlaments, will und will sich die absolute Mehrheit nicht einstellen. Am Ende fehlen mindestens zwei Dutzend Sitze – „zu viele, um sie diskret zu kaufen“, wie in erfreulicher, aber schnell wieder versteckter Ehrlichkeit ein Mitglied von „Forza Italia“ bei der Wahlparty an der Piazza Navona bemerkt. Dann der nächste Schlag: Wie es aussieht, wird in beiden Kammern die Demokratische Partei der Linken (PDS), sofern sie sich ohne die Partner ihres Bündnisses konstituiert, die stärkste Fraktion stellen und damit ein Vorrecht auf den Stuhl des Senats- beziehungsweise Kammerpräsidenten erhalten. Diese bekleiden nicht nur ein repräsentatives und organisatorisches Amt, sondern sind auch Stellvertreter des Staatspräsidenten – und erste Anwärter auf dessen Nachfolge.

Der dickste Hammer kommt jedoch schon bald nach Mitternacht: das Tandem Bossi-Miglio von der „Lega Nord“. Die Ligen, sezessionistisch ausgerichtet und mit Berlusconi nur deshalb in Allianz, weil sie einen Wiederaufstieg der Christdemokraten oder einen Sieg der Linken befürchteten, lassen keinen Zweifel daran, daß ihre Attacken gegen Kamerad Berlusconi wie gegen dessen ultrarechte Bündnispartner von der Nationalen Allianz keineswegs nur Wahlkampfgetöse waren. „Keine Regierung mit den Faschisten“, tönt Liga-Chef Umberto Bossi.

Doch schwerer wiegt, wie entschlossen Gianfranco Miglio, siebzigjähriger Chefideologe der Ligen, bekräftigt, daß „jetzt, und nur jetzt, die Stunde zur Durchsetzung unserer Ziele geschlagen hat“. Und das heißt: „Föderalismus und Liberalismus“. Mit dem ersten Wort sperrt er die Neofaschisten aus – mit dem zweiten Berlusconi. Der will das natürlich nicht wahrhaben: Liberalismus sei doch auch sein Leitmotiv, redet er Bossi herunter, da seien „ganz bestimmt Programmgemeinsamkeiten zu finden“. Es dauert kaum zehn Minuten, da sprudelt Bossis Antwort aus dem Fernschreiber: Mit „Liberalismus“ meine er auch, daß die Regierung innerhalb weniger Wochen ein Antitrustgesetz verabschieden solle, das jegliche wirtschaftliche Machtkonzentration verhindere oder auflöse. Alle wissen, daß sich das nicht in erster Linie gegen den Automobilkonzern Fiat, der sich seit einigen Jahren ohnehin einer Art freiwilliger Kartell-Abstinenz unterworfen hat, sondern gegen Berlusconis Fernsehmonopol richtet.

Um auch die letzten Zweifel zu beseitigen, legt Bossi noch nach: „Berlusconi kann schon aus Gründen der Machtkonzentration niemals Ministerpräsident werden.“ Da sich Berlusconi aber nicht mit einem untergeordneten Ministerium oder dem Fraktionsvorsitz zufriedengeben wird, ist das so etwas wie das Ende des Traums von der Umsetzung des Wahlerfolgs, den „Forza Italia“ nach nur drei Monaten seit ihrer Gründung eingefahren hat.

Auf der anderen Seite sammelt sich im Laufe der Nacht so mancher geschlagene Recke des Linksbündnisses wieder: Schließlich war man bei früheren Regional- und Kommunalwahlen schon mal bei weit unter 20 Prozent angelangt, jetzt sind es 22 bis 23 Prozent in beiden Kammern, und ausnahmslos die gesamte Führungsspitze der Partei ist direkt gewählt worden. Dazu bieten eifrige Politologen und Wahlkampfforscher auch noch einige handfeste Gründe für den Erdrutsch „beispielsweise das Wahlverhalten der Mafia, die ihr von der Polizei auf gut 600.000 bis 700.000 Stimmen angesetztes „Gewicht“ offenbar voll für Berlusconi und die Neofaschisten eingesetzt hat. Am Ende können die Kader im PDS-Hauptquartier in Rom sogar wieder lächeln. „Es ändert sich ja nichts“, sagt ein Pressesprecher, als die Mikrophone abgeschaltet werden, „wir waren bisher in der Opposition und sind es halt jetzt auch wieder.“ Und: „Schließlich werden wir ja angesichts der neuen Lage auch bald erneut wählen müssen.“ Als wäre der Kampf um die notwendige Alternative in Italien nichts anderes gewesen als ein schöner Traum.