Tauziehen um Sperrminorität beendet

■ Der Weg für die Erweiterung der Europäischen Union scheint frei / Was aber ist ein „vernünftiger Zeitraum“ zur Diskussion? / Europaparlament muß zustimmen

Brüssel (taz) – Die britische Regierung hat gestern zähneknirschend den Kompromiß über die künftigen Abstimmungsregeln im Europäischen Ministerrat angenommen und damit den Weg für die Erweiterung der Europäischen Union um Norwegen, Schweden, Finnland und Österreich freigemacht. Am Wochenende hatten sich die 12 Außenminister der EU in der griechischen Provinzstadt Ioannina darauf geeinigt, nach der Erweiterung der EU von 12 auf 16 Länder die für ein Veto notwendige Stimmenzahl von bislang 23 auf 27 zu erhöhen. Die britische Regierung hatte sich zwei Tage Bedenkzeit erbeten. Um eine Entscheidung im Ministerrat zu blockieren, müssen sich nach der Erweiterung mindestens vier statt bisher drei Länder dagegen aussprechen. Aber wenn drei Länder gegen eine Entscheidung stimmen, dann, so das Zugeständnis der EU- Mehrheit, soll noch für einen „vernünftigen Zeitraum“ weiter nach einem Kompromiß gesucht werden. Großbritannien und Spanien wollten trotz der größeren EU die Drei-Länder-Regelung beibehalten, weil sie fürchten, künftig leichter überstimmt zu werden.

Die Interpretationen dessen, was in Ioannina genau beschlossen wurde, klaffen bereits beträchtlich auseinander. Das Bemühen um Klarheit wird deutlich überlagert von dem Wunsch, die Blockade der Beitrittsprozeduren endlich vom Tisch zu bekommen. Da Kampfabstimmungen im Ministerrat ohnehin kaum vorkommen und jedes Land zudem die Möglichkeit hat, bei Verletzung fundamentaler nationaler Interessen Entscheidungen auch alleine zu blockieren, geht es bei der ganzen Diskussion eher um die grundsätzliche künftige Ausrichtung der EU. Während die Mehrheit der Mitgliedsländer der Ansicht ist, daß die Erweiterung nicht zu Lasten des engeren Zusammenwachsens gehen darf, ist London bei jeder Gelegenheit versucht, die Europäische Einigung zurückzudrehen. Erklärtes Ziel der britischen Regierung ist eine europäische Freihandelszone ohne politische Kompetenzen.

Der britische Regierungschef Major hatte sich durch ungeschicktes Taktieren zur Geisel einiger Hardliner in seiner eigenen Partei gemacht. Die europäischen Partner bemühten sich in den vergangenen Tagen, für die innenpolitisch bedrängte Regierung Brücken zu bauen. Offen ist noch, ob auch das Europäische Parlament über diese Brücken gehen kann. Die Abgeordneten müssen am 4. Mai die Aufnahme endgültig beschließen. Die drei großen Fraktionen haben den Ministerrat schon öfter darauf hingewiesen, daß sie eine Aufweichung der Abstimmungssitten nicht hinnehmen werden. Alois Berger