Die Abgesampleten

■ Die Old School des Funk: George Clinton, Bobby Byrd und Maceo Parker

Fest steht eigentlich nur, daß er bereits 51 Jahre ist. Davon abgesehen verschwimmt George Clinton hinter seiner Legende. Tourneeveranstalter raunen sich zu, wie sie Clinton in fahrenden Zügen an vereinbarten Treffpunkten verpaßten oder wie dieser sich plötzlich auf sie stürzte, sie im LSD-Rausch für Vögel haltend. Drogen, Anarchie und Chaos hielten wie bei so vielen während der Flower-Power-Ära Einzug in Clintons bis dato recht gemütliches Leben. Der Ex-Frisör und geschniegelte Motown-Angestellte datiert seine Initialisierung auf das Jahr 1967, als er Anzug und Aktenkoffer mit den knallbunten Klamotten der Hippies vertauschte. Als Frontmann von Parliament und Funkadelic erfand sich Clinton ein ureigenes Vokabular. Die Bands bezeichnete er als „mothership“, er selbst nannte sich „Dr. Funkenstein“ oder „President of P-Funk“, womit eine psychodelische Spielart von Funk gemeint ist. Seitdem ist Clinton seinem selbst erfundenen Universum treu geblieben. Aus dem Humus seines knochentrockenen Funk kriechen DooWop-Chöre, Soul-Harmonien, Sound-Gimmicks und heftig gerockte Gitarren. Stets chaotisch, schrill und überraschend.

In den 90ern hat P-Funk James Brown als beliebteste Fundgrube für Hip Hop-Samples abgelöst, was Clinton im letzten Jahr mit seiner Sample-Sammlung Sample Somma Disc, Sample Somma Dat ironisch kommentierte. Besonders Gangster-Rapper wie Dr. Dre und dessen Adept Snoop Doggy Dog bauen ihre Stücke beinahe ausschließlich aus Clintons Bruchstücken zusammen. Auf seiner aktuellen LP Hey Man... Smell My Finger – was auf die zweite Bedeutung von Funk als „Gestank“ anspielt – zollen neben Dr. Dre dann auch diverse Rapper dem alternativen Präsidenten ihren Tribut.

Da die hochdotierten Rap-Ak-teure live kaum mit von der Partie sein werden, wird Clinton die Markthalle mit seinem 4-Stunden-Greatest-Hits-Marathon heimsuchen - von „One Nation Under A Groove“ bis „Paint The White House Black“.

Um Bobby Byrd, der stattliche 59 Lenze zählt, ranken sich Anekdoten ganz anderer Art. Der junge Byrd habe James Brown im Jugendgefängnis von Toccoa/Georgia kennengelernt und seine Mutter davon überzeugt, sich für den einsitzenden Brown zu verbürgen, um ihn dann sogar in die eigene Familie aufzunehmen. Was darauf folgte war eine langjährige Zusammenarbeit, während der Byrd 40 Hits für den „Goodfather“ verfaßte und sich den Spitznamen „The Godfather's Godfather“ verdiente. Doch allein von Namen läßt sich nicht leben und so fristete Byrd lange Jahre sein Dasein als „Archiv-Verwalter“ des undankbaren James. Bevor der „family man“ in seiner Opferrolle endgültig zur Fußnote der Musikgeschichte verkam, nahm das Hamburger Souciety-Label „On The Move (I Can't Get Enough)“ auf. Byrd beschäftigte dafür seine ganze Familie – die Söhne an Schlagzeug und Orgel, sowie Frau und Tochter als Background-Chor. Am 1. April im Schöne Aussichten wird sich zeigen, wer von der Familie mitfliegen durfte.

Wie um erneut zu unterstreichen, daß in Hamburg der JB-Sound besonders hoch im Kurs steht, tummelt sich ein weiterer Musikant aus James-Brown's Umfeld. An drei Tagen nimmt des Godfahther's Alt-Saxophon Maceo Parker in der Fabrik einen Live-Film mit schreienden hanseatischen Funk&Soul-Jüngern auf.

Volker Marquardt G. Clinton, 12.4., Markthalle B. Byrd, 1.4., Schöne Aussichten M. Parker, 12.-14.4., Fabrik