M wie Marmelade

■ Die richtige Euphoriedosis garantiert im April nur M People in der Großen Freiheit

Bei M People ist der Befall durch Rechtfertigungszwang schnell erreicht. Dennoch: Wer immer meint, auf der Chartsband rumhacken zu müssen, bloß weil ihre Videos im bewußtlosen Jeunesse-Dorée-Ambiente spielen, ist entweder ein von Geschwüren bedrohter Kultur-Bolschewist oder ein Weich-Schnecken-Verzehrer. Denn M People sind momentan der einzige Act, der leichte Muse und feine Soße auf die richtige Euphorie-Dosis mischt. Sicherlich ist ihr Style aus Foto-Model-Cocktail-Parties und Reisen nach Hip-Berlin und Rich-Cote-D'Azur (wir sind wieder bei den Videos) verachtenswert und vom Klassenstandpunkt her geradezu degoutant, aber, aber, aber die Musik, die Stimme und die richtige Wahl der Waffen.

Northern Soul, das Debut des Trios, zeigte bereits in stimmiger Begriff-Inhalt-Verschränkung, wes' Kind die Band ist, und mit dem Nachfolger Elegant Slumming (ein Titel, für den eigentlich das sprachliche Messer aufklappen müßte) ist endlich eine Platte gefunden, die am Triumphbogen knapp unter En Vogues Erzeugnissen hängen kann. Heather Smalls kehlige Art „One Night In Heaven“ oder „Moving On Up“ zu singen ist auf eine Art zauberhaft, die jeden Zapp-Finger bei MTV-Präsenz lahmlegt. Und die unaufdringliche Handwerklichkeit, mit der DJ Mike Pickering die Konditionierung aus Schüttel-Beats und souligen Melodie-Zöpfen ausnutzt (immer prima, nie mit der niedermachenden Blödheit eines Captain-Alban-Collective-Limits) ist honigsüß. Gleichzeitig bewegt sich das Dreigespann nur knapp vorbei an den verwinkelteren Spezialitäten eines Hauses Talkin' Loud. Hier macht Einfachheit Spaß und die distanzierte erotische Verlockung der Heather Small einen gesamtkunstwerklichen Sinn. Keine Rebellion, keine Botschaft, kein soziales Bewußtsein, aber M wie Marmeladen-Menschen. Ist doch auch was.

Till Briegleb

25. 4., Große Freiheit