Neue Platten

AUDREY MOTAUNG - COLOURS CAN'T CLASH (Soulciety/EWM)

Easy und ernst, Audrey Motaungs bei Soulciety veröffentlichtes Album überschultert Extreme mit Sanftmut. Die seriöse Artikulation politischer Glaubensbekenntnisse und rassistischer Alltagsnotizen führt bei ihr nicht zur kleinst-nenner-kanalisierten Aggression, sondern zu qualitätvoller Bar-Musik. Was andernorts abwertend gemeint sein mag, ist hier das Prüfsiegel einer heterogenen, aber stimmigen Musiker-Persönlichkeit. Ihr Soul mit etwas Geraschel im Funk-Gebüsch am Wegesrand ergießt sich lecker in Schmusik mit Swing, in unvergifteten Jazz, Songwriting und Soft-Hop. Natürlich singt Gott auch hier wieder einmal mit, aber die spannende Arbeit wird vom Londoner Musiker-Fundus Boogie Back bestritten. So entstand eine internationale Produktion, auf der die ehemalige Sprecherin des ANC sich als gleichermaßen wandlungsfähig und stilsicher beweist und zeigt, daß die Konspiration von alten Häsinnen und jungen Hupfern zu Format führen kann. Auch wenn Colours Can't Clash im Tenor eine konservative Grundhaltung zur Musik artikuliert, die sich nicht vom festen Terrain traditioneller Harmonie hinunterbewegt, verschont uns Motaung mit Süßlichkeit und kommerzieller Eitelkeit. Daraus darf Schönheit wachsen.

Audrey Motaung singt am 8. April in der Fabrik sowie beim Leuchtfeuer-Benefiz am 11. April in der Großen Freiheit.

tlb

MAAT - SIE (Dragnet Rec., über „Unterm Durchschnitt“ zu beziehen)

Traurige Gitarren rinnen, ein verrückter Organist wühlt seine Hände in die Tastatur, liebende Mütter schluchzen auf: Im Hintergrund tropft jemand in das Weihwasser-Becken. Dann spicht Satan – mit engelsgleicher Stimme. Der Atem der Unterwelt, bei Diamanda Galas zu derwisch-artiger Besessenheit ausartend, führt bei Maat eher zum Stupor und zur inneren Seelenspirale. Die zweite Solo-CD der Kielerin Dörte Marth wirkt wie eine Geräusch-Hommage an die griechische Opernsängerin Galas, an Laurie Anderson und an die Hamburger Geräusch-Gruppe Mechthild von Leusch. In den Klangwelten eher kühl gehalten wandert Maat – ohne jemals unsicher zu werden – präzise zwischen den Gräben peinlichen Ethno-Getrommels und Zivilisations-Chill-out-room-Geplinkels. Maat schafft es, verschiedenste kulturelle Einflüsse miteinander zu verbinden, ohne banal, belanglos oder klischeehaft zu klingen. Da mischt sich ein hereintröpfelndes Glocken-Echolot mit einem Himmelsharfenbaß, ein trockener Tanzrhythmus trifft auf ein dissonantes Piano und einen Tekkno-Loop, eine Kirchenorgel harmoniert mit Bongos und türkisch-anmutenden Geräusch-Gesängen.

Die schon auf der ersten CD spürbare Vorliebe Maats für kurze, abgehackte Töne im oberen Frequenzbereich wird bei Sie fortgesetzt – eine Bereicherung für die Geräusch-Musik-Szene, die schon wieder dominiert wird von Düster-Waber-Klängen pubertierender Jungs. Im Gegensatz zu ihrer ersten CD komponierte Maat nun etwas populärer, eine gleichmäßige Rhythmik und ausgeglichene Spannungsbögen machen die Stücke auch für solche Geister hörbar, die Geräuschmusik sonst eher scheuen.

Greta Eck

DAS WEETH EXPERIENCE - O.T. (Strangeways/Indigo)

Eine gewisse Ratlosigkeit beschleicht den Hörer schon nach den ersten drei Stücken des von Matthias Arfmann produzierten Debuts. Es fehlen die Koordinaten, die Fluchtlinien, das musikalische Gleichgewichtsgefühl ist irritiert. Ein merkwürdiges Instrumental mit dem Titel „Anarchist“ kommt so ganz ordentlich und unspektakulär daher, das folgende „Stone“ ist zwar irgendwie ein Lied, aber aus dem Erholungsschlaf des Rock. Und auch das dritte Stück „River Of Destruction“ schleppt sich so durch die Form geräucherter Wildheit, die weder fies noch kitschig ist. Mid-Tempo, die verzerrte Gitarre, die ähnlich Carnival Of Souls (endlich ein Vergleich) für sich dahinsingt, nur das hier Humor und volkstümlicher Schmiß fehlen, manchmal Gesang, der der Gitarre folgt, dann nett unsicher danebenläuft - Swell Maps, Alternative TV und ähnlich Kunst-Punker der Achtziger fallen einem ein, aber dazu fehlt die wirkliche Verschrobenheit. Das Weeth Experience scheint die wieder gerade geschlagene Version ehemals krummer, nur in dunklen Ecken erfolgreicher Rock-Nägel anzustreben. Böse Buben, ausgewandert in den Himmel, wo man die alten Nummern auf der Lyra zupft und den Gipfel des elysischen Witzes erreicht hat, wenn etwas Country-Klang eingeworfen wird. Ratlosigkeit, Ratlosigkeit - keine Verwechslung möglich. tlb