Peer Gynt auf französisch

Ulrich Tukur und die Hamburger „Stadtmusikatzen“ in „Blaubarts Orchester“  ■ Von Petra Kohse

Etwas pausbäckig ist er ja geworden, Ulrich Tukur, unser deutsches Jünglingswunder, der Schauspieler und Sänger mit dem nostalgischen Tremolo, dieser kleinere, weichere und etwas alberne Bruder Robert Redfords. Er sieht nicht mehr so verwegen aus wie – Schiebermütze, Lederjacke und Akkordeon, seufz – auf dem Cover seiner Platte „Tanzpalast“ (die damals allerdings eine harte Prüfung war für jeden Fan). Er hat vermutlich kräftig beim Kaiserschmarrn zugelangt, in Wien, wo er „Freudiana“ spielte. Aber schließlich kann man ja nicht von ihm verlangen, sein Leben lang so anämisch und aufgeregt leidend zu bleiben wie in seiner Rolle als Alwa in Peter Zadeks „Lulu“-Inszenierung.

Außer den Pfunden hat sich Tukur aus Wien auch noch die Sängerin Vasiliki Roussi nach Hamburg mitgebracht. Als Zweitbesetzung für die Rolle von Annette Maria Marx (alias Nessi Tausendschön) in „Blaubarts Orchester“. Beim Berliner Gastspiel ist Roussi die Erstbesetzung in dieser musikalischen Kolportage-Komödie, die Ulrich Tukur mit Ulrich Waller (Regie), Thomas Struck (Dramaturgie) und den sechs Musikerinnen der Hamburger „Stadtmusikatzen“ fürs Schmidt-Theater auf der Reeperbahn entwarf.

Die Handlung: Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ehelicht Alphonse de Bleue (Tukur) in einem französischen Dorf die junge Marie (Roussi). In der Hochzeitsnacht, im väterlichen Schloß, führt er ihr seine sechs Hausmusikerinnen vor: tote ehemalige Geliebte. Die jeweils dazugehörige Geschichte wird szenisch erzählt und führt über Algerien nach New York bis in die Südsee. Peer Gynt, die französische Variante. Dazwischen gibt's wieder ein bißchen Rahmenhandlung und Scherzchen mit dem Pubklikum hie und da und Fluchtversuche von Marie. Denn die hat natürlich schnell spitzgekriegt, worum es geht: Sie ist Sängerin – und genau der Part fehlt noch in „Blaubarts“ Orchester. Den Rest kann man sich denken.

Tukur chargiert, was das Zeug hält, hetzt über die Bühne, bis die Pomade fließt, zwängt sich durch die Parkettreihen, schleudert die sechs im Einheitslook weißperückten und gepuderten Musikerinnen durcheinander und nötigt ihnen auch bescheidene schaupielerische Leistungen ab. Er macht das manchmal etwas affektiert, meist aber im herrlichsten Klamottenton und sehr charmant.

Ach ja, dann gibt es noch den Diener Hercule, gespielt von dem Schlagzeuger Robby Schuster, ein käferförmiges Faktotum, wortkarg und verschmitzt, das hinter Trommeln und Becken zu höchster Virtuosität aufläuft. Auch zwei Wesen in baumwollenen Ganzkörperkondomen, auf die Skelette gedruckt sind, tauchen auf. Sie schieben zuweilen die beiden Längshälften der großen Treppe auseinander und wieder zusammen, auf der sich der meiste Teil der Slapstick-Operette abspielt.

Denn natürlich wird ständig auch gesungen. Marie singt von der Liebe, mit beeindruckendem Volumen, einem bezaubernden Lächeln und österreichischem Akzent. Da kommt dann ein Hauch Sissi auf die Bühne. Und Alphonse, der Franzose, singt erstaunlich viele Lieder aus den deutschen 20er Jahren. Aber diese Schlager von Mackeben, Kreuder und Konsorten intoniert Tukur ja schließlich doch am allerbesten. Als Zugabe gibt es dann auch noch „Ach verzeihen Sie, meine Dame, Gottfried Schulze ist mein Name...“. Da liebt man ihn dann wieder wie eh und je, hat manche Länge des „Blaubart“-Spektakels vergessen und sieht auch die vollen Backen schon gar nicht mehr.

Weitere Aufführungen von „Blaubarts Orchester“ noch bis 3.4. und 5.–10.4., um 20 Uhr, im Hebbel- Theater, Stresemannstraße 29, Kreuzberg.