Black & White – Geschichten aus dem neuen Südafrika Von Bartl Ill

Sie lauern auf Bananenblättern, in Fischstäbchen, an Türklinken. Sie fliegen mit Moskitos oder grundeln in irgendwelchen Tümpeln. Weil sie in Afrika einfach überall sind und jederzeit angreifen können, hat der europäische Mensch einen riesigen Respekt vor den winzigen Viren. Gelbfieber, Thyphus, Malaria – und keine ordentlichen Krankenhäuser. Traumatische Tropen!

In Südafrika ist alles ganz anders. Da herrscht (noch) der weiße Mann, und man kann sich vorstellen, daß in einem Land, in dem ein Meister Barnard Zahnarztherzen wie Batterien auswechselt, das Virus hart zu kämpfen hat. Aber es findet immer wieder seine Opfer, und manchmal ist einer von uns Federfuchsern darunter. Beinahe hätte eine Virenarmee die heutige Kolumne vernichtet. Aber dann haben wir uns schweißnaß überlegt, daß im Fieberwahn ja oft die größten Essays, Glossen oder Leitartikel entstehen. 38,6 Grad Celsius – das sollte keine schlechte Schreibtemperatur sein ...

Der Wert wurde gerade von Schwester Tandi im Krankenzimmer F7 der Linksfield Park Clinic zu Johannesburg gemessen. Hier sitzt und liegt der Autor seit vorigen Montag fest, und es ist einer der zynischen Zufälle des Zeitgeschehens, daß just an diesem Tag die Krankenhäuser der Stadt in jedem Zeitungsartikel vorkamen. Warum? Weil es ein Massaker vor dem ANC-Hauptquartier gegeben hatte, weil Heckenschützen von den Wolkenkratzern herunterschossen, weil in den Townships Jagd auf Menschen gemacht wurde. Am Ende des Blutmonats waren 31 Menschen tot und 250 verletzt – so viele wie seit dem Soweto- Aufstand nicht mehr. Ununterbrochen jagten Notarztwagen durch die Straßen, die Ambulanzen der Hospitäler waren hoffnungslos überfüllt, die Blutkonserven gingen aus.

Nichts zu merken von alledem in unserer privaten Parkklinik. In der Eingangshalle gibt es ein schmuckes Café, eine Apotheke, einen Blumenladen nebst Kiosk. Alles groß, still und hell, wie in einem Landhotel mit vier Sternen. Der Roomservice, äh, die Verpflegung, ist hervorragend, die medizinische Behandlung Spitzenklasse. Kein Mangel, nirgends.

Hier der Überfluß, dort der Notstand – die Ungleichheit ist pervers. Während im schwarzen Township Hunderte von Menschen wie im Mittelalter von der Typhusepidemie hingerafft werden, erfreut man sich in der weißen Nachbarschaft modernster Apparatemedizin. Während die einen an Erkältungskrankheiten krepieren, lassen sich die anderen das Wohlstandsfett aus den Hüften schneiden. Schwarz und weiß – das Erbe der Apartheid im Gesundheitsfaktor. Schon hören wir die Sittenwächter und politisch Oberkorrekten schreien: Wie kann es der Kolumnist nur wagen, sich angesichts dieser Zustände in eine Luxusklinik zu legen? Gegenfrage eins: Würden sich die Zustände verbessern, wenn er in ein schlechteres Krankenhaus ginge? Gegenfrage zwei: Was ist verwerflich an einer guten medizinischen Versorgung? Die schwarzen Patienten von Linksfield würden solche Überlegungen nur belächeln. Schwarze Patienten in einer weißen Klinik? Ja, das gibt es im neuen Südafrika. Es gibt sogar steinreiche Schwarze, die zum Gesichtschirurgen gehen!

Jetzt müssen wir aber leider abbrechen. Die Viren greifen wieder an, das Fieber steigt ...