■ Press-Schlag
: Unendliche Geschichte

Ein Drama ist es: Henry Maske und Graciano Rocchigiani, Deutschlands beste Profiboxer, der ehemalige Armeesportler aus Frankfurt/Oder und der Sohn eines sardischen Eisenbiegers, zwei Königskinder, die zueinander nicht finden wollen. Zu traurig. Trauriger als im echten Märchen, weil wirklich wahr.

Dienstag abend in einem Berliner Nobelhotel, Pressekonferenz. 50 Journalisten sind gekommen, keiner weiß so recht, warum. Jeder ahnt es, jetzt ist es soweit, der Kampf der Kämpfe, der „Megafight“ wird annonciert. Zwischen jenen beiden Herren, die sich aufgrund ihres so unterschiedlichen Privatlebens (Biedermann und Brandstifter) so wunderbar zur Klischeebildung eignen: Gentleman und bad boy. Geduldsprobe. Warten auf Klaus-Peter Kohl, Hamburgs König über Imbißbuden und Automaten sowie seit einem Jahr Manager des Stehaufmännchens aus Berlin, den alle Welt nur „Rocky“ nennt. Kohl kommt, nach 20 Minuten. Statt Pressekonferenz aufgeregtes Getuschel neben dem Podium mit der Sauerland- Connection. Große Besprechung im kleinen Kreis. Der Moderator sagt, was alle denken: „Sie warten darauf, daß das Osterei endlich ausgepackt wird.“ Eben. Zur Sache, Herr Sauerland. Der Wuppertaler Boxpromoter, bis 1992 noch Manager beider besagter Herren Boxer, packt aus: Ein Angebot habe er „Rocky“ am 22. März unterbreitet, eine Million Mark geboten, zwei Optionen inklusive: „Graciano hätte 2,8 Millionen Mark verdienen können.“ – „Ein gutes Angebot, ein faires Angebot.“ Ja. Und dann dies: „Gestern nachmittag sagte Herr Kohl nein, heute morgen ja, jetzt wieder nein.“ Eine gar schreckliche Abfuhr. „Wir lassen uns die Bedingungen nicht von der Gegenseite diktieren.“

Die Gegenseite, Klaus-Peter Kohl: „Die Leute wollen sehen, wer der Bessere ist.“ Na klar doch. Aber er? Er wolle den WM-Titel nicht, nein, nein, nur den sportlichen Ringkampf. Trotzdem. „Es ist ein gutes Angebot, ein faires Angebot.“ Ja, aber? „Graciano hat mir gesagt, ich bin sein Manager.“ Na und? „Er boxt nicht unter einem Veranstalter Sauerland.“ Aha! Wir sehen klarer, weil fern. RTL hat Maske unter Vertrag, premiere Rocchigiano. Der 30jährige Berliner wartet brav vor der Tür, derweil sich die beiden Manager um die Linguistik streiten. Sauerland: „Das erste Angebot habe ich gemacht, als Graciano Europameister war.“ Kohl: „Ich habe Henry 1993 eine Million geboten und keine Antwort bekommen.“ Sauerland: „Ich habe dir auch eine Million geboten.“

Punch, Finte, Treffer? Bevor sich die beiden die Birne einhauen, greift Sir Henry ein, maßregelt die Kampfhähne: „Normalerweise streiten sich die Sportler.“ Und da er es nicht leiden mag, wenn nicht er im Ring steht, teilt der Halbschwergewicht-Weltmeister kurzerhand mit aus: „Zum Geldverdienen brauche ich Graciano nicht.“ Nicht mehr, „glücklicherweise“. Wums. 1992 war das noch anders. Da, so Trainer Manfred Wolke: „befand sich Henry in der Warteschleife“. Seinerzeit mieden die Titelträger den „weißen Tiger“. Und jetzt? „Graciano hat nicht einmal Weltranglistenpunkte.“ Der saß. Kohl wankt: „Du mußt begreifen, es war schwierig, in so kurzer Zeit. Aber vielleicht...?“ Sauerland nickend. Kohl: „Ich kann ja noch einmal mit Graciano reden.“ Sauerland sauertöpfisch: „Nichts da.“ Ende der Vertragsverhandlung via Pressekonferenz.

Fortsetzung tagsdrauf: RTL meldet: „Rocky kneift.“ Dieser schwer getroffen: „Das lasse ich nicht auf mir sitzen!“ Er und feige? Das Wort komme in seinem Wortschatz nicht vor. „Da akzeptiere ich lieber alle Optionen von Herrn Sauerland.“ Ätsch, pätsch. Zu spät. Manfred Wolke: „Solche Clownerien spielen wir nicht mit.“ Manager Sauerland: „Rocchigiani hat seine Chance gehabt. Er muß sich nun hinten anstellen.“ Kohl: „Nach Ostern bereden wir alles noch einmal.“ Aber: „Hundertprozentig ist nichts.“ Ach, was. Cornelia Heim