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■ Pro: Die Bilder Hitlers müssen gezeigt werdenDer Ekel und sein Wahrheitsgehalt

Zuerst gab es kein Bild vom Führer. Bis zum Jahr 1923 entwand Hitler sich den Fotografen, um unerkannt auf der Tribüne der Massenveranstaltungen erscheinen zu können. Der Volkstribun entzog dem Publikum sein Bild, eine Maßnahme mit beträchtlichem propagandistischem Mehrwert: Hitler, der geheimnisumwitterte Retter, der Mann ohne Gesicht.

Es ist eine vertrackte Sache mit der Macht der Bilder: Sie ist nicht mit der linken Hand zu brechen, denn sie wirkt unter Umständen auch in deren Abwesenheit. Die derzeit noch in München gezeigte, vom Deutschen Historischen Museum abgesagte Ausstellung über Heinrich Hoffmann, Hitlers Leibfotografen, macht es sich damit nicht leicht. Sie handelt von der Politik der Bilder; sie ist ein Unternehmen im Geiste von Walter Benjamins vielzitiertem, aber kaum je verstandenem Satz, daß der Faschismus die Ästhetisierung der Politik betreibe. Sie zeigt, welche Anstrengungen nötig waren, um aus dem linkischen, häßlichen, kamerascheuen Hitler jene Ikone herzustellen, die dann Amtsstuben und traute Wohnzimmer schmückte. Nicht die sattsam bekannten Endprodukte der Arbeit am Führer-Mythos sind der Clou, sondern die verworfenen, mißlungenen Versuche der Stilisierung, in deren Reihe sie zurückgestellt werden: Im Blick auf dieses Material zerfällt die polierte faschistische Oberfläche in lauter Versatzstücke.

Die von Jerzy Kanal bekundete Abscheu gegen die Präsentation von Hitler-Porträts ist nicht nur „verständlich“, wie Wolfgang Till, Leiter des Münchener Stadtmuseums, zugestand. Sie ist kein rein psychologisches Faktum, sondern hat einen historischen Wahrheitsgehalt: Hitlers Blick tötet.

Eben darum – weil es sich bei dem Horror angesichts der Hitler-Bilder nicht bloß um eine „verständliche“ Überempfindlichkeit handelt, die nur Betroffene betrifft, sondern um einen Moment des Schreckens, in dem das historische Wissen mit der konkreten Anschauung in eins fällt, ist es so unsäglich, die Ausstellung mit der Begründung abzusagen, angesichts der verletzten Gefühle der Juden müsse „jeder aufklärerische Standpunkt beiseite geschoben werden“ (Till). So entwertet man den Ekel der Opfer zur Idiosynkrasie, statt ihn zum Thema zu machen, wie es die Pflicht der Ausstellungsmacher wäre.

In München haben auch rechtsextreme Gruppen die Ausstellung besucht. Das ist ihnen natürlich nicht zu verwehren. Die Anlage der Ausstellung eignet sich aber nicht für den nostalgischen Kult. Die Angst, Neonazis könnten daherkommen und aus den Scherben dieser Dekonstruktion des Führers ein neu-altes Schreckbild zusammensetzen, ist sicher nicht von der Hand zu weisen. Aber um wieviel schlimmer wäre es, ließe man die mythischen Hitler-Bilder weiterhin unangetastet und die Öffentlichkeit ohne Einblick in das mechanische Gestänge über der glatten Haut?

Dann bliebe auch eine unerhörte Geschichte aus der Propaganda des „Freundes der Jugend“ unbekannt: Eine populäre Postkartenserie zeigte Hitler als „Kinderfreund“, der gerade von einem blonden Mädchen zum „Dank für Geburtstags-Einladung“ (Untertitel) umarmt wird. Ein Denunziant meldete im September 1933 der Bayerischen Politischen Partei, daß dieses Mädchen eine jüdische Großmutter habe. Die Karte wurde von Heinrich Hoffmann trotz Verbots weiter vertrieben. Jörg Lau

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