Waffenstillstand in der Krajina

Von der UNO und EU vermittelter Kompromiß sieht die sofortige Einstellung aller Kampfhandlungen vor / Bosnisches Parlament billigte beinahe einstimmig Föderation mit Kroaten  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Mit vorsichtigem Optimismus reagierten die beiden Bosnien- Vermittler von UNO und EU, Stoltenberg und Owen, gestern in Genf auf die am Morgen in Zagreb erzielte Waffenstillstandsvereinbarung zwischen der kroatischen Regierung und den Krajina-Serben. Das aus 85 muslimischen und kroatischen Abgeordneten bestehende Parlament in Sarajevo billigte unterdessen mit einer Gegenstimmen und zwei Enthaltungen die am 18. März in Washington vereinbarte muslimisch-kroatische Föderation in Bosnien und die Konföderation dieses Staates mit Kroatien.

Die Zagreber Waffenstillstandsvereinbarung sieht die sofortige Einstellung aller Kampfhandlungen in der seit Herbst 1992 von serbischen Truppen besetzten Krajina vor, die etwa ein Drittel des kroatischen Staatsgebietes umfaßt. Ab Montag morgen nächster Woche soll eine Sicherheitszone von jeweils zehn Kilometer auf beiden Seiten der bisherigen Frontlinien gelten. Die Waffenstillstandslinien wurden in insgesamt 35 Karten bis ins kleinste Detail festgelegt.

Ab Dienstag sollen alle Panzer- und Artilleriegeschütze um mindestens 20 Kilometer und Mörser um zehn Kilometer hinter die Waffenstillstandslinien zurückgezogen werden. Unprofor-Soldaten und EU-Beobachter sollen den Waffenstillstand und die Entflechtung der gegnerischen Streitkräfte überwachen. Vermittelt wurden die Zagreber Verhandlungen von den Sonderbeauftragten der USA und Rußlands für Ex-Jugoslawien, Redman und Tschurkin, sowie dem für die Krajina zuständigen Unterhändler der Genfer Jugoslawienkonferenz, dem deutschen Diplomaten Ahrens. Redman und Tschurkin wiesen Befürchtungen als unbegründet zurück, auf Dauer könnten sich die von Unprofor und EU überwachten Waffenstillstandslinien zu politischen Grenzen verfestigen, womit die Krajina- Serben ihrem Ziel eines selbständigen Staates näherkommen.

Der selbsternannte Präsident der Serben, Martić, interpretierte die Waffenstillstandsvereinbarung gestern in diesem Sinne. „Die UNO garantiert jetzt unsere Grenzen“, erklärte er. „Niemals“ würden die Krajina-Serben ihr Ziel der „Selbstbestimmung und eines selbständigen Staates“ aufgeben. Kroatiens Präsident Tudjman wertete die Vereinbarung genau entgegengesetzt. Sie sei der „Beginn der vollständigen Wiedereingliederung“ der Krajina nach Kroatien.

Diese gegensätzlichen Standpunkte lassen schwierige Verhandlungen erwarten über die Wiederherstellung von Verkehrs-, Kommunikations- und Wirtschaftsbeziehungen. Sie sollen am 8. April aufgenommen werden. Owen und Stoltenberg gaben sich dennoch in Genf vorsichtig optimistisch. Auf die Frage, ob er bei seiner jüngsten Begegnung mit Serbiens Präsident Milošević am letzten Sonntag in Belgrad den Eindruck gewonnen habe, dieser bestärke die Krajina- Serben nicht mehr länger, am Ziel eines selbständigen Staates festzuhalten, vermied der EU-Vermittler zwar eine eindeutige Antwort. Allerdings betonte er, Serbenführer Milošević sei „immer der Ansicht gewesen, daß zuerst ein Waffenstillstand und die Normalisierung der wirtschaftlichen Beziehungen ausgehandelt und umgesetzt werden“ sollten. Das könne „Vertrauen schaffen und die Suche nach einer politischen Lösung erleichtern“.