EU läßt britische Rinder laufen

EU-Gesundheitsminister gegen Exportverbot für britisches Rindfleisch / Trotz Rinderwahnsinn – Britanniens Exporte steigen noch  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) – Die Europäische Union wird britische Landwirte trotz der auf der Insel grassierenden Rinderkrankheit BSE (im Volksmund Rinderwahnsinn) wohl auch künftig nicht daran hindern, ihr Rindfleisch in andere europäische Länder zu exportieren. Im Vorfeld einer Sondersitzung der EU-Gesundheitsminister gab es nur aus Dänemark und Frankreich verhaltene Unterstützung für die deutsche Forderung nach einem völligen Exportverbot bei britischem Rindfleisch. Und natürlich blieben die Briten gestern hart: Die bisherigen Kontrollen ihrer Rindviecher reichten völlig aus.

Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) hatte eine Sondersitzung der EU-Gesundheitsminister einberufen lassen. Er hatte in den vergangenen Wochen deutlich schärfere Restriktionen bis zu einem totalen Exportverbot für britisches Rindfleisch verlangt. 122.000 Tiere sind nach Angaben aus London schon an der Seuche verendet. Doch bislang darf Rindfleisch aus zwei Jahre BSE-freien Beständen von britischen Bauern und Fleischhändlern exportiert werden.

Seehofer argumentiert hingegen, schon aus vorbeugendem Gesundheitsschutz müßte die Ausfuhr von Rindfleisch aus Großbritannien gänzlich verboten werden. Es habe sich gezeigt, daß die Erkrankung von Rindern auch auf andere Säuger, möglicherweise sogar auf den Menschen überspringe, so der Minister. Beim Menschen gibt es eine mit dem Rinderwahnsinn vergleichbare Krankheit, die sogenannte Creutzfeld-Jakob- Krankheit.

Seehofer meinte, angesichts dieses neuen Verdachts könne man nicht noch einmal, wie Mitte der achtziger Jahre bei Aids, auf gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse warten, bevor man etwas unternehme. Auch die SPD forderte gestern in Bonn ein Exportverbot für britisches Rindfleisch.

Dem britischen Rindfleischexport ist die seit 1986 grassierende Seuche bislang offenbar gut bekommen. Großbritannien hat 1993 insgesamt 153.000 Tonnen Rindfleisch ausgeführt, 15 Prozent mehr als 1992. 126.000 (105.000) Tonnen Rindfleisch gingen in die EU und immer noch rund 900 (2.100) Tonnen nach Deutschland. „Es handelt sich bei den Exporten nach Deutschland praktisch nur noch um teures schottisches Rindfleisch“, so der Sprecher von British Beef, Colin Smith.

Smith ist der Auffassung, die britischen Kontrollen würden völlig ausreichen. Kranke Tiere würden verbrannt und bei gesunden Tieren würden Gehirn und Rückgrat, die als potentiell infektiös gelten, entfernt. Auch bestimmte Innereien würden nicht mehr exportiert.

Neuübertragung der Krankheit in den letzten beiden Jahren schloß Smith weitgehend aus. Schon im Juli 1988 sei die Produktion von Fleischmehl aus Schafen gestoppt worden, daß zur Übertragung der Schafkrankheit Scrapie auf die Rinder geführt habe. „Selbst wenn einige Bauern dieses Futter noch bis 1990 illegal verfüttert haben, seither ist sicher Schluß“, so Smith.

Die britischen Maßnahmen hätten schon gegriffen. Derzeit würden in Großbritannien pro Wochen nur noch 700 bis 750 Tiere mit BSE-Verdacht geschlachtet, bei 600 bis 650 Tieren bestätige sich der Verdacht. „Vor einem Jahr hatten wir wöchentlich noch über 1.000 Fälle.“ Bis zur Jahrtausendwende hoffe man die Krankheit sogar wieder ausgerottet zu haben.

Ganz wohl ist dem Fleisch-Lobbyisten aber nicht in seiner Haut: „Ursprünglich hat der Herr Seehofer gefordert, daß Tiere, deren Fleisch exportiert wird, unter drei Jahre alt und aus Beständen stammen müssen, die vier Jahre BSE- frei sind. Das hätte man machen können. Auf den britischen Export, vor allem nach Deutschland hätte das keinen Einfluß gehabt“, sinniert Smith.

Aber in Großbritannien hätten sich die Wissenschaftler durchgesetzt. Wo es keine Gefahr gebe, seien auch keine Maßnahmen vonnöten, andernfalls räume man ja implizit ein, daß es doch eine Gefahr gebe, so der Fleischlobbyist.