Auf daß kein Schwein entkomme

■ Trotz massiver Kontrollen ist ein Ende der Schweinepest in Niedersachsen nicht in Sicht

Hannover (taz) – Seit gestern morgen sind die Grenzen Niedersachsens für eigenproduziertes Borstenvieh gänzlich gesperrt. An 16 Kontrollstellen der Polizei wurde keinerlei illegal transportiertes Borstenvieh entdeckt. Am Mittag verkündete das niedersächsische Landwirtschaftsministerium, daß es inzischen landesweit 23 Seuchenherde mit den dazugehörigen absoluten Sperrzonen gebe. Eine Woche zuvor hatte das Haus von Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD) noch von einem Dutzend infizierten Schweinebeständen gesprochen. In den vergangenen Monaten sollen nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Oldenburg zwei Viehhändler mehr als 36.000 Schweine aus Sperrbezirken illegal an Schlachthöfe in mehrere Bundesländer geliefert haben. Daraufhin wurden auch dort schärfere Kontrollen angekündigt.

„Wir befinden uns gerade in einer ganz schwierigen kritischen Phase der Seuche“, sagte gestern denn auch der Tierseuchenreferent im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium, Detlev Küttler. Die Seuche klinge keineswegs ab. In den letzten Tagen seien eine ganze Reihe von neuen Schweinepestfällen hinzugekommen. Betroffen seien die Kreise Cloppenburg, Vechta, Diepholz und neuerdings auch der Landkreis Celle. Nach Angaben von Küttler wird die Bekämpfung auch durch den speziellen Typ des Erregers erschwert, der die gegenwärtige Viehseuche verursacht. Bei diesem Virus sei die Inkubationszeit überraschend lang. Es könnten neun Wochen zwischen der Infektion und dem ersten Auftreten von Krankheitssymptomen liegen. Es handele sich um einen relativ schwachen Schweinepestvirus, erläuterte Detlev Küttler, doch gerade dieser habe zur Verbreitung der Seuche erheblich beigetragen.

Funke hat die Seuche inzwischen in arge Bedrängnis und – im wahren Wortsinn – gar zum Stürzen gebracht. Nach einem Termin mit von der Schweinepest betroffenen Landwirten stürzte Funke, als er daheim vor seinem Haus dem Auto entstieg, und erlitt „einen Riß oder eine Dehnung der Bänder am rechten Knöchel“. Der Anlaß des Treffens mit den Landwirten sei so ernst gewesen, daß dort wohl kein Alkohol getrunken worden sei, hieß es gestern. Schon am Dienstag hatte sich Ministerpräsident Gerhard Schröder von Karl-Heinz Funke öffentlich abgesetzt. Alle Vorbehalte gegenüber der von der Europäischen Union verhängten Handelssperre seien jetzt nicht mehr relevant, erklärte Schröder. Für eine weitere Diskussion über die richtige Methode der Seuchenbekämpfung sei jetzt nicht die Zeit. Jürgen Voges