UNO soll Kurden in Türkei schützen

■ Friedensnobelpreisträger appellieren an Ghali Rühe will Militärhilfe für Türkei ab 95 einstellen

New York/Berlin (taz/AP) – Mehrere Friedensnobelpreisträger haben in einem Brief an die Vereinten Nationen ein sofortiges Ende der türkischen Militäreinsätze gegen die Kurden gefordert. Das Schreiben an UNO-Generalsekretär Butros Ghali übergab Danielle Mitterrand, die Frau des französischen Staatspräsidenten François Mitterrand. Sie erklärte, die Gruppe wolle, daß Ghali einen Sondergesandten für die Krisenregion ernenne. Der UNO-Generalsekretär habe zugesagt, den Appell sorgfältig zu prüfen. Zu den Unterzeichnern der Erklärung gehören unter anderem die guatemaltekische Bürgerrechtlerin Rigoberta Menchu, der Dalai Lama und der südafrikanische Bischof Desmond Tutu.

Auch in der Bundesrepublik mehren sich die Stimmen, den Krieg in Kurdistan nicht länger der türkischen Regierung zu überlassen. Eine internationale Konferenz auf neutralem Boden zur Klärung der Kurdenprobleme hat Niedersachsens Justizministerin Heidi Alm-Merk (SPD) gefordert. Heidemarie Wieczorek-Zeul forderte für die SPD die Entsendung ziviler UNO-Beobachter nach Türkisch-Kurdistan, damit das Leben von Menschen dort wirksamer geschützt werden kann.

Vertreter deutscher Delegationen, die in der letzten Woche Türkisch-Kurdistan besuchten hatten, berichteten gestern auch über den Einsatz deutscher Waffen in Kurdistan. „Immer wieder“, so Jürgen Neitzert, der mit einer Delegation aus Niedersachsen in der Türkei war, „sahen wir in den kurdischen Bergen die Panzer der früheren Nationalen Volksarmee.“ Auch eine andere Delegation aus Mainz und Wiesbaden hat bei ihrer knapp einwöchigen „Kreuzfahrt“ mit dem Bus durch Kurdistan „einen guten Überblick über die Waffentechnologie bekommen, mit der die Bundesrepublik die türkische Armee ausgestattet hat“, wie Christa Thome von den „Freundinnen und Freunden des Kurdischen Volkes Mainz-Wiesbaden“ vortrug. In der mit sogenannten Sicherheitskräften und Militär „vollgestopften“ Region fuhr der Bus der Delegation an BRT-60-Panzern der ehemaligen NVA vorbei. Und viele Soldaten der türkischen Armee seien mit deutschen G3-Sturmgewehren ausgerüstet gewesen. Friedel Grützmacher, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im rheinland- pfälzischen Landtag: „Ich habe die Ex- NVA-Panzer gesehen. Das deutsche Hoheitszeichen war nur notdürftig überpinselt.“ Als sie ihre Erkenntnisse der deutschen Botschaft in Ankara mitteilten, so Jürgen Neitzert, stießen sie dort auf ein Achselzucken: Das sei lange bekannt.

Die Panzer aus NVA-Beständen waren bereits im Mai 1992 Gegenstand einer Kontroverse zwischen Bonn und Ankara. Außenminister Kinkel hatte sich ausbedungen, daß deutsche Waffengeschenke zukünftig „ausschließlich in Übereinstimmung mit dem Nato-Vertrag“ eingesetzt werden, also nicht gegen Kurden. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes erklärte dazu gestern: „Wir gehen davon aus, daß die Türkei sich an diese Regelung hält.“ Nach türkischer Auslegung des Nato-Vertrages ist der Einsatz der NVA-Panzer in Kurdistan dagegen völlig legitim. Das Bonner Verteidigungsministerium erklärte gestern gegenüber der taz, eine neue Militärhilfe für die Türkei ab 1995 – der gegenwärtige Vertrag geht bis Ende des Jahres – solle es nicht mehr geben. kpk/jg

Tagesthema Seite 3