„Doppelt verknackt“

■ 95 Prozent der ausländischen Gefangenen droht die Ausweisung / Debatte im Knast

„Kein Deutscher darf wegen einer Tat zweimal verknackt werden. Wir sitzen unsere Strafe ab und werden danach abgeschoben“, beschwert sich ein ausländischer Häftling in der JVA Oslebshausen. Deutsche Strafgefangene bekommen Besuch, erhalten Freigang und werden vorzeitig aus dem Knast entlassen. Ausländer können von solchen Haftlockerungen nur träumen, denn ihnen droht die Abschiebung, und sie müssen daher unter erschwerten Haftbedingungen leben – wegen Fluchtgefahr. 95 Prozent der ausländischen Insassen sind, so der Ausländerausschuß der Insassenvertretung in Oslebshausen, von der Ausweisung bedroht.

Das Thema war am Mittwoch abend Anlaß für eine Diskussionsrunde in der JVA, zu der der Verein für Rechtshilfe im Justizvollzug eingeladen hatte. Die Gäste waren zahlreich gekommen – neben den Insassen und deren Vertretern – Fachleute und Bremer Abgeordnete aus allen Parteien. Die Gesprächsrunde im Knast übte wohl sogar für die Berufs-DebattiererInnen aus der Bürgerschaft einen gewissen Reiz aus.

Als der Troß von einem Justizangestellten über den Hof geführt wurde, und ein Häftling am vergitterten Fenster erschien und „glaubt dem kein Wort, der lügt doch sowieso“ rief – gemeint war Anstaltsleiter Hans Henning Hoff –, stellte sich schon ein bißchen Knast-Romantik ein.

An zwei langen Tischen saßen dann etwa 20 PolitikerInnen etwa 20 Inhaftierten in gebührendem Abstand gegenüber. Die Verbindung zwischen beiden Welten versuchte der Moderator des Abends, Hans-Henning Hoff, herzustellen – auch mit Hilfe eines quergestellten Tisches, an dem er und die Fachleute saßen.

So zum Beispiel Uwe Papencord von der Ausländerbehörde, der die rechtlichen Grundlagen vortrug, auf die kaum noch vorhandenen Spielräume des verschärften Ausländergesetzes hinwies und damit seitens der Gefangenen nur Unverständnis erntete. Im Bürokraten-Deutsch nicht gerade versiert, fühlten sich die meisten „vom deutschen Verwaltungsrecht buchstäblich zermahlen“, wie es einer von ihnen beschrieb.

Der Strafrechtler Johannes Feest sprach vom „Inländer ohne deutschen Paß“, der in Deutschland geboren oder aufgewachsen ist und rechtlich – mittels doppelter Staatsbürgerschaft – den Deutschen gleichgestellt werden sollte. Papencord verwies dann auch auf deren rechtliche Besserstellung gegenüber „echten Ausländern“. Demnach bestehe ein besonderer Ausweisungsschutz für straffällig gewordene Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis sind, mindestens acht Jahre in Deutschland leben, hier ihre Familie haben oder mit Deutschen verheiratet sind – und sich mit wenigstens 60 monatlichen Rentenversicherungsbeiträgen um den deutschen Wohlstand verdient gemacht haben.

Doch auch wer diese Voraussetzungen erfüllt, ist noch nicht aus dem Schneider. Denn der Ausweisungsschutz ist von der Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde abhängig. Und da sind Ausweisungsandrohungen eher die Regel. Anschauliches Beispiel dafür ist eine vom Ausländerausschuß der Gefangenen angefertigte Liste, auf der die Namen von der Ausweisung oder Abschiebung bedrohter Ausländer verzeichnet sind – alle seit mindestens 14 Jahren in der Bundesrepublik. Auf Nachfrage der Häftlinge, warum diese „guten“ Ausländer keinen besonderen Ausweisungsschutz erhalten, mußte Papencord passen.

Rechte Stimmung wollte an diesem Abend nicht aufkommen. Es schien, als ob die Insassen sich von ihren GesprächspartnerInnen nicht viel erhofften. Sie überließen die Diskussion hauptsächlich den Externen. Ihr Resümee: „Wir sind Kinder der ersten Gastarbeitergeneration, haben ein bis zwei Straftaten begangen und werden in ein Land ausgewiesen, das wir nur aus dem Urlaub kennen. Unsere Familien werden auseinandergerissen. Und das alles nur, weil hier jetzt soviele Antrag auf Asyl stellen.“ tt