Die DDR in nichtssagendem Weiß

Ängstlich und antiquiert: Das Deutsche Historische Museum stellt die Geschichte des Zeughauses aus  ■ Von Severin Weiland

Das Zeughaus hat die Geschichte kaum mit denkwürdigen Ereignissen bedacht. Abgesehen vom Sturm der bürgerlichen Revolutionäre auf das dort lagernde Waffendepot am 14. Juni 1848 blieb das Gebäude unter den Linden zumeist im Schatten der Historie. Die Aufgabe des Barockbaus, der sich vom Arsenal zum Museum wandelte, war stets funktional: Er diente der Zurschaustellung politischer Macht.

Nun hat sich das „Deutsche Historische Museum“ der 300jährigen Vergangenheit des Hauses angenommen. Herausgekommen ist eine zwiespältige Austellung, eine Mischung aus Reflexion über die Indienstnahme für politische Zwecke und Rückblick auf die einst glanzvolle Ausstattung des Hauses mit überwiegend militärtechnischem Gerät. Letzteres wurde während des Zweiten Weltkrieges großteils im Bombenhagel zerstört, was übrig blieb, in die Sowjetunion geschafft.

In die Erinnerung zurückgerufen wird, daß nicht allein die bedeutsame Ausgestaltung des Innenhofs durch Andreas Schlüter den herausragenden Rang des Gebäudes ausmachte. Pläne, Skizzen, Entwürfe dokumentieren die Veränderungen, dem das Zeughaus seit 1695 unterworfen war. Die weitgehend vergessenen Baumeister Johann Arnold Nering, Martin Grünberg und nicht zuletzt Jean de Bodt, der dem Zeughaus 1706 sein äußeres Gewand gab, erhalten wieder ihren Platz in der Ahnengalerie zurück. Damit einher geht die Präsentation von Waffen aller Art – Säbeln, Pistolen, Gewehren, Lanzen und Kanonen. In einer Gesellschaft wie der bundesdeutschen, in der das sichtbar Militärische kaum auftaucht, wirken solche Exponate antiquiert. Und doch sind sie für das Verständnis des Zeughauses von zentraler Bedeutung. Denn parallel mit dem Aufstieg Preußens zu einer der bedeutendsten Mächte in Europa wurde das Zeughaus zu einer mächtigen Waffenkammer. Die Verwandlung in ein Museum begann erst Anfang des 19. Jahrhunderts. Nachdem 1831 die Bürger die „Königliche Waffen- und Modellsammlung“ besuchen konnten, weicht die ursprüngliche Funktionalität zunehmend der vermittelten herrschaftlichen Macht: Nach den Siegen über Dänemark (1864), Österreich (1866) und Frankreich (1870/71) werden Beutestücke ausgestellt. Als 1877-80 das Zeughaus zur „Ruhmeshalle der brandenburgisch-preußischen Armee“ umgebaut wurde, war das Ende als Waffenkammer besiegelt und die Zukunft als militärhistorisches Museum eingeläutet. Die Ausstellungsmacher haben sich in den Begleittexten um Neutralität und Zurückhaltung bemüht. Ihre Gewichtung wird eher mittelbar in der Farbgebung der einzelnen Räume deutlich: Die brandenburg-preußische Ära ist durchweg in warmen Braun- und Blautönen gehalten, Weimarer Republik und NS-Zeit teilen sich Grau-Schwarz (und sind zudem in düsteres Licht getaucht), die DDR glänzt in nichtssagendem Weiß. In einem Vorspann zu einem Film über den „Heldengedenktag“ 1943 heißt es denn auch, die brandenburgisch-preußische Geschichte sei durch die NS-Diktatur „mißbraucht“ worden. An dieser Stelle gerät die Ausstellung in Widersprüche: Gerade die vorderen Räume zeigen anschaulich, daß die jeweils Herrschenden das Zeughaus für ihre Interpretation der Historie nutzten (Kaiser Wilhelm II. nahm sogar Einfluß auf die Ausstattung der Uniformsammlung). Zugespitzt gefragt: Was unterschied die Ausstellungen „Sieg über Frankreich“ nach dem Krieg von 1870/71 von Hitlers „Krieg gegen die Sowjetunion“ im Jahre 1943? Dem Betrachter drängt sich der Eindruck auf, das 1987 von der Bundesregierung gegründete „Deutsche Historische Museum“ wolle die brandenburgisch-preußische Tradition des Zeughauses qua Fusion in die Gegenwart hinüberretten. Ängstlich wirkt die Gestaltung des vorletzten Raumes, in dem der Zeitabschnitt „Museum für Deutsche Geschichte“ zusammengefaßt wird. Hier wird der Besucher mit Farbbildern über die Innenaustattung des Zeughauses zu DDR-Zeiten, einem Gemälde der damaligen Abteilung „Feudalismus“ samt Waffensammlung und diversen Plakaten allein gelassen.

Es bleibt ärgerlich, daß die Funktion eines Museums in seinem historischen Kontext kaum thematisiert und dem vom „Deutschen Historischen Museum“ herausgegebenen Buch „Das Berliner Zeughaus“ weitestgehend überlassen bleibt.

Letztlich ist die Ausstellung vor allem unter einem Gesichtspunkt interessant: Auch 1994 dient die scheinbar kritisch-distanzierte Blick auf die Geschichte des Zeughauses der Identitätsfindung. Zumindest in einem Punkt unterscheidet sich das von Helmut Kohl ins Leben gerufene Deutsche Historische Museum nicht von seinen Vorgängern: Staatstragend zu sein.

300 Jahre Berliner Zeughaus im Deutschen Historischen Museum, Unter den Linden. Öffnungszeiten: Donnerstag bis Dienstag 10-18 Uhr, Mittwoch geschlossen