Dauerklau im Wohnzimmer

■ Stand-by-Schaltungen verbrauchen massig Strom, obwohl Dauerbetrieb unnötig ist / Industrie wirbt nicht für ihre sparsamen Alternativen, den Kunden ist es egal

„Bis zu 21 Mark Stromkosten kann ein Videorecorder jährlich verbrauchen, wenn er in Stand-by- Schaltung steht.“ Ähnliche „stromklauende Dauerverbraucher“ sind Fernseher, Faxgeräte und Anrufbeantworter. Dieser Verbrauch muß nicht sein, meint Detlev Bramigk, Ingenieur bei der Gesellschaft für Rationelle Energieverwendung. Die seit 1978 im Auftrag des Senats arbeitende Verbraucherberatung informiert über die „stromklauenden Dauerverbraucher“; sprich elektronische Kleingeräte.

Während Kühlschränke und Waschmaschinen immer weniger Strom verbrauchten, tendiere der Verbraucher, so Bramigk, bei Kleingeräten zu immer höherem Stromverbrauch. Kleingeräte, deren jährliche Stromkosten bei über 150 Mark liegen, seien keine Seltenheit mehr.

Bedenkt man, daß nach Aussagen der Bewag fast jeder zweite Haushalt in der Bundesrepublik einen Videorecorder besitzt, nimmt dieser Stromverbrauch bei Videorecordern in Stand-by- Schaltung größere Ausmaße an. Die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände hat berechnet, daß der jährliche Strombedarf um zehn Milliarden Kilowattstunden steigen würde, wären alle Hi-Fi- Anlagen, Fernsehgeräte und Videorecorder mit Stand-by-Systemen ausgerüstet. Das entspricht der jährlichen Stromproduktion eines Atomkraftwerkblocks vom Typ Biblis A.

Die Gesellschaft für Rationelle Energieverwendung spricht sich daher gegen Stand-by-Schaltungen an Videorecordern und Fernsehern aus. Die Stand-by-Schaltung wurde ursprünglich entwickelt, damit die Geräte durch Vorheizen schneller anspringen. Moderne Techniken in Fernseh- und Videogeräten machen das aber unnötig. Passé ist auch, daß Videogeräte Sender ohne Strom nicht speichern können. Hier rät Bramigk zu Geräten, die die Speicherung bis zu einem Jahr durch besondere Bausteine erhalten können.

„Um mit dem Videorecorder Sendungen, die man aufnehmen will, programmieren zu können“, so Bramigk weiter, könne man entweder mechanische, aufziehbare Timer einsetzen oder aber die Programmierung am gleichen Tag durchführen, um so den Stromverbrauch zu senken. Diese alternativen Geräte zu den stromfressenden Dauerverbrauchern sind nur unwesentlich teurer, da die Bausteine für die Sendeabspeicherung bei 10 bis 15 Mark liegen.

Bernd Schwenke, Projektleiter zur Prüfung von technischen Geräten bei der Stiftung Warentest: „Geräte mit einem Stromverbrauch von unter fünf Kilowattstunden werden mit der Note ,gut‘ bewertet.“ Auf die Alternativen zu Stand-by-Schaltungen wird allerdings nicht hingewiesen. Seiner Meinung nach „ist die Industrie noch nicht soweit, weniger stromverbrauchende Geräte zu produzieren, obwohl die Industrie Interesse an der Senkung des Stromverbrauchs für diese Geräte hat“.

Werbung macht die Industrie mit diesen Geräten nicht, wie ein Blick in die Auslagen der Elektrogeschäfte zeigt. Der Verbraucher frage aber auch nicht danach, so Salin Sönmez von Audio/Video Firschke am Kottbusser Damm: „Der Kunde will ein Videogerät kaufen, der Stromverbrauch interessiert ihn dabei nicht.“

Richard Berry von Photo Porst in der Marheineke-Markthalle in Kreuzberg rät dagegen, das Gerät immer abzuschalten, wenn es gerade nicht benutzt wird. Er selbst „führt nur Geräte, die eine Stand- by-Schaltung unnötig machen“.

Über solches Energiebewußtsein freut sich die Verbraucherberatung der Bewag. Haushaltskundenberater Wilfried Porsinger empfiehlt, „Geräte schon bei einer Nichtbenutzung von einer Stunde auszuschalten“. Daß bei Videorecordern und Fernsehgeräten oftmals keine Hauptschalter mehr, oder wenn, dann nur versteckt angebracht sind, gehört nach Porsingers Meinung zu den Ärgernissen.

„Das Bewußtsein des Verbrauchers muß erst wieder geweckt werden. Die Videogeräte seien für viele zu kompliziert, die Geräte müßten einfacher werden, zum Beispiel sollte beim Abschalten alles dunkel werden. Dazu gehört eine spaßige, gut verständliche Bedienungsanleitung. Ästhetik und Vernunft müssen in den Geräten vereint sein, um dem Verbraucher das Abschalten einfacher zu machen.“ Schon „aus Sicherheitsgründen sollten die Geräte bei Abwesenheit ausgesteckt sein“.

Eine elektrische Zahnbürste verbrauche Strom für 30 Mark im Jahr. Natürlich könne sich jeder eine elektrische Zahnbürste kaufen, aber eine Überlegung sollte der Stromverbrauch schon sein, gegenüber der Möglichkeit von Hand zu putzen, meint Porsinger.

Letztlich aber müsse der Verbraucher Forderungen an die Industrie stellen, praktischere und umweltfreundlichere Geräte herzustellen. Darin sind sich Bewag und die Gesellschaft für Rationelle Energieverwendung einig. Eva Blank

Informationen zu Kleingeräten und ihrem Stromverbrauch gibt es bei den Verbraucherberatungen der Bewag und der Gesellschaft für Rationelle Energieverwendung am Theodor-Heuss-Platz 7 in 14052 Berlin, Telefon 301 60 90.

Beim Referat Öffentlichkeitsarbeit des Wirtschaftsministeriums in 53107 Bonn kann die kostenlose Broschüre „Haushalten im Haushalt“ angefordert werden.