piwik no script img

Nicht so wichtig wie Kondome

Tischabfalleimer gehören zu den beknacktesten Errungenschaften der Zivilisation / Die Queen und die Hotelinnung setzen auf Müllvermeidung  ■ Von Christian Arns

Da kann einem der Spaß am bemalten Osterei wirklich vergehen: Kaum ist es leergegessen, darf es nicht zurück in den Becher; nein, die Schale bekommt einen eigenen Platz: „Für Ihre Tischabfälle“ steht unüberlesbar auf dem Eimerchen, das unpassenderweise zwischen Kaffeetasse, Saftglas und Brotkorb steht. Mit einem Muster, das Hotels ihren Gästen auf Tischdecken oder Servietten nicht mehr zumuten würden, zudem aus Plastik, das so gar nicht zum Porzellan oder dem Sektkühler passen mag, haben die Töpfe den Charme eines Schrubbers im Frühstück.

Wenigstens ist die Schrift auf jüngeren Mülleimern aus der Mode: Bäume zieren den Topf der Firma Buchsteiner, der für knapp 15 Mark in Berlins Karstadt-Filialen zu haben ist. Auf dem Beipackzettel berichtet Renate Buchsteiner von ihrem Sohn, der ja so verschnupft gewesen sei. Ihm habe sie das erste Modell als „Bazillen-Tücher-Sammler“ andrehen können: „Ich hoffe, du fütterst ihn gut.“ Doch trotz dieser völlig belanglosen Geschichte, die Käufer neben Müllkippe auch noch gebrauchte Rotzfahnen mit dem Topf assoziieren läßt, trotz eines weißen Modells, das nur 9 Mark 25 kostet, haben Märchentante Renate und die 3-Mark-95-Becher von Woolworth keine Chance:

Der heiß umkämpfte Tischabfalleimer-Markt ist klar in Händen des Küchenartikel-Herstellers emsa. Ob im KaDeWe, bei Karstadt am Weddinger Leopoldplatz oder bei Hertie in der Schloßstraße – der weiße Klassiker mit blauem Blumendekor kostet einheitlich 11 Mark 50. Als Teil einer Serie, zu der auch Butterdose und Brotkorb aus glänzendem Plastik gehören, verfügt diese Billigversion aber nicht über einen Deckel. Anders bei der Modevariante in grün-rot, bei der für echte Kenner ein Preisvergleich lohnt: Während in der Wilmersdorfer Straße 12 Mark 50 gezahlt werden sollen, wurde im KaDeWe von satten 22,50 auf runde 10 Mark reduziert. Auf den Schwingdeckeln wird erklärt, welchem Zweck der Eimer dient: „Für die appetitliche Tischkultur“.

Darin bestens bewandert ist Wolf-Dieter Scholz, Leiter des Referats für Empfänge und Feierlichkeiten des Landes Berlin: Nein, Mülleimer auf dem Tisch seien international nicht üblich, versichert er, „das werden Sie weder im britischen Königshaus noch beim amerikanischen Präsidenten finden“. Seine Meinung: „Das verschandelt den Tisch“, gerade wenn Blumen die Tafel dekorierten, sei der Eimer „richtig störend“.

Dabei hat sich emsa doch sogar ein dezentes, rosa-graues Blumenmuster einfallen lassen, das den weißen Becher schmückt, der in beinahe jedem Kaufhaus für etwas über 20 Mark zu haben ist. Die Suche bereitet einer KaDeWe-Verkäuferin allerdings Mühe: „Dort in der Ecke“, erklärt sie und zeigt auf die mindestens dreimal so großen Treteimer. Noch ehe die Frage gestellt ist, ob der Mechanismus von Hand betätigt werden oder ob sich der geneigte Hotelgast zukünftig zur Entsorgung seiner Eierschalen auf den Tisch stellen soll, weist sie in die entgegengesetzte Richtung. Dort steht der Edeltopf neben einem irgendwie einzigartigen Modell in bräunlich, das mitsamt seiner bunten Blümchen für zehn Mark verschleudert wird.

Ob nur das Design oder auch die Bedienerfreundlichkeit für den enormen Preisunterschied verantwortlich ist, kann selbst die Stiftung Warentest nicht beantworten: „Nein, die haben wir noch nicht getestet“, gibt Pressesprecherin Heike van Laak zu: „Ist das was, was man braucht? Sind wir absolut out, wenn wir keine haben?“ Sie rechtfertigt die Untersuchungslücke: „Wir testen mit Vorliebe solche Gegenstände, die wirklich nötig sind. Nur selten nehmen wir uns Dinge wie einen Tisch-Gyros vor, dann stellen wir fest, daß man sie nicht braucht.“

Für die Kellner einfacher sei die Entsorgung mittels der Tischabfalleimer schon, wendet hingegen ihre Kollegin Sabine Kalkmann von der Hotel- und Gaststätten-Innung ein. Selbst für einen gelernten Restaurantfachmann sei es lästig, die Butterfolien und Marmeladenpackungen zwischen Tellern und Untertassen hervorzufischen. Allerdings wolle die Innung ohnehin weg von den Einwegverpackungen. An der Aktion „Praktizierter Umweltschutz im Gastgewerbe“ hätten sich Ende letzten Jahres 25 Betriebe beteiligt, die nun Müll vermeiden, Sparlampen leuchten lassen und Stopptasten in den Toiletten haben. Eine kleine Plakette bescheinige ihnen nun „Ich führe einen umweltorientierten Betrieb“, so Kalkmann: „Wer auf Packungen verzichtet, braucht die Eimer nicht.“

Das entlastet die Stiftung Warentest, die sich nach Auskunft ihrer Sprecherin Heike van Laak „an das hält, was lebensnotwendig ist, zum Beispiel Kondome“. Und die gehören ja schließlich auch nicht auf den Frühstückstisch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen