Klimaänderung beschert Schimmelwohnungen

Wer nicht lüftet, um Energie zu sparen, holt sich Schimmelpilz ins Haus / Möbel dürfen nicht zu nah an der Wand stehen, da dort sonst nur die Feuchtigkeit, nicht aber säubernde Luft hingelangt / Chemische Keulen helfen nicht  ■ Von Leonard B. Schilling

Mit dunklen Flecken neben dem Fenster, an Kachelfugen oder hinter dem Sofa geht es oft los. Dann folgen größere und als solche leicht zu erkennende Schimmelpilz-Kulturen, übler Geruch und oft genug auch gesundheitliche Beschwerden. Schimmel in Wohnräumen ist ein Problem, das in der letzten Zeit immer häufiger auftritt.

Ein Grund ist, daß sich die Möbel-Industrie immer stärker auf Kompaktbauweise einstellt, um auch das kleinste Eckchen noch als Stauraum nutzbar zu machen. Dabei werden allerdings nur in wenigen Fällen Einrichtungen vorgesehen, mittels derer die Luft zirkulieren kann. Sobald das Schränkchen auf einer festen Fläche steht und zu eng an die Wand gestellt wird, kann Luft weder unter dem Möbel noch dahinter so problemlos ausgetauscht werden, daß Feuchtigkeitsbildung vermieden werden könnte. Feuchtigkeit aber ist die einzige Voraussetzung für Schimmel, die von den Bewohnern wirksam vermieden werden kann.

Weder kann die Temperatur in einem Wohnraum so herabgesetzt werden, daß der Pilz nicht mehr existieren könnte, noch kann ihm der Sauerstoff entzogen werden. Für den Stuttgarter Ingenieur und Energieberater Horst Bieberstein ist daher klar: „Die Beseitigung von Feuchtigkeitsursachen ist die einzige Möglichkeit, die Entstehung von Schimmelpilzen dauerhaft zu verhindern!“

Der zweite Punkt, der die vermehrte Fäulnisbildung der letzten Jahre begünstigt, ist das veränderte Klima. In seinem Buch „Schimmelpilz in Wohnräumen – was tun?“ verdeutlicht Bieberstein, daß der Austausch von warmer Luft, die viel Feuchtigkeit aufnehmen kann, und kalter „trockener“ Außenluft von entscheidender Bedeutung ist, wenn Pilze vermieden werden sollen. Aber: „In den letzten zehn Jahren wurden die acht wärmsten Winter der letzten 200 Jahre registriert“, die abnehmenden Temperaturdifferenzen seien aber „ideale Voraussetzung zur Entstehung von Kondensat und daraus folgender Schimmelpilzbildung“. So stellt Bieberstein einen direkten Zusammenhang von Treibhauseffekt und gesundheitsgefährdender Fäulnis in Wohnräumen her.

Um so wichtiger ist seiner Meinung nach das regelmäßige Lüften: Drei- bis viermal täglich sollte für fünf bis 15 Minuten Durchzug geschaffen werden, empfiehlt er, lediglich ein Fenster zu öffnen reiche dabei nicht aus. Zudem sei es wichtig, unmittelbar nachdem besonders viel Wasserdampf erzeugt wurde, die Fenster aufzureißen. Wer also Essen gekocht oder sich geduscht hat, sollte die Feuchtigkeit anschließend nach draußen entweichen lassen. Dem entspricht auch der Rat der Verbraucherzentralen: „Türen von Räumen, in denen viel Dampf freigesetzt wird, sind geschlossen zu halten, damit sich die Feuchtigkeit nicht in der gesamten Wohnung verteilt!“

Pilz wird auch dadurch vermieden, daß die Wohnung zusätzliche Feuchtigkeit speichert und sie wieder abgibt, wenn die Luft wieder trockener ist. So wird ein gesundes und ausgeglichenes Raumklima hergestellt. Alle natürlichen Materialien sind in der Lage, Feuchtigkeit zu speichern. Das geht bei den Holzstückchen in der Rauhfasertapete los und setzt sich über Holzmöbel bis zum Teppichboden aus Schurwolle fort. Wer die Wohnung jedoch versiegelt, riskiert Schimmelpilz, warnt Wohnberater Peter Dirk von der Verbraucherzentrale am Wittenbergplatz. Weder Vinyltapeten, wie sie gerade in Kinderzimmern häufig verwendet würden, noch synthetische Teppichböden könnten Feuchtigkeit speichern und wieder abgeben – für Fäulnis ideale Bedingungen.

Taucht diese doch einmal auf, dann sollte sie sofort beseitigt werden, da sind sich Industrie und Wohnberater einig. Allerdings gibt es Uneinigkeiten bei der Methode: Während Hersteller ihre chemischen Keulen anpreisen, weil sie Pilz dauerhaft verjagen könnten, raten Fachleute ab: Das Bundesgesundheitsamt wird seit Jahren nicht müde, vor den Nebenwirkungen zu warnen, die insbesondere durch die chlorhaltigen Mittel verursacht werden. Auch die Arbeitsgemeinschaft Wohnberatung e.V. (AGW) in Bonn rät in ihrer Broschüre (s. Seite 40) ab: Die Mittel seien zwar wirksam, aber gesundheitsgefährdend. Und Bieberstein warnt: „Schimmelpilzkulturen sind gegen derartige Bekämpfungsmittel oft resistenter als der Mensch.“ Sein Tip: Essigessenz oder Spiritus könnten ebenfalls benutzt werden, um die befallene Stelle auszuwaschen. Dabei sollte auf jeden Fall das Fenster geöffnet sein, da es auch bei den „bewährten Hausmitteln“ zu beißenden Gerüchen komme.

Patentrezepte gibt es nicht

Doch ob chemische Keule oder Essig, dauerhafte Lösungen sind so nicht zu erreichen. Denn oft muß auch der Putz unter der Tapete entfernt werden, wenn dieser einmal von Schimmel befallen war. Spätestens da gehen auch die Streitigkeiten zwischen Mieter und Vermieter los, weiß Wohnberaterin Heide Barthelmis. Meist habe die Schimmelbildung gleich mehrere Ursachen, „etwa kalte Wände und zu seltenes Lüften“. Daher sei es auch so schwer, Ratsuchenden wirkungsvoll zu helfen: Selbst Dämmstoffe könnten befallen sein, „da leben sie jahrelang mit Schimmel in der Wohnung, ohne es zu wissen“. Letztlich könne sie den unter Schimmelpilz leidenden Menschen „herzlich wenig in die Hand geben, wie sie das Problem in die Hand bekommen können“.

Sicher ist für sie aber, daß der Wärmedämmung eine Bedeutung zukommt, „die gar nicht hoch genug bewertet werden kann“. Ausgelöst durch die Ölkrise seien die Häuser zwar massenhaft gedämmt, aber zugleich „hermetisch abgeriegelt“ worden. Früher habe die Feuchtigkeit von innen „in die Wände reinkrabbeln können, sie wurde einfach besser abtransportiert“. Auf diesen Aspekt setzen auch die Hersteller alternativer Dämmstoffe, egal ob aus Altpapier, Schurwolle oder Holz. Alle diese Produkte sind „dampfdiffusionsoffen“, was heißt, daß Feuchtigkeit von innen nach außen entweichen, nicht aber von außen nach innen eindringen kann.