: Alles so schön bunt hier ...
■ Mit Willys Knopfdruck startete 1967 das Farbfernsehen
Über ein Vierteljahrhundert ist vergangen, seit Außenminister Willy Brandt zur Eröffnung der Berliner Funkausstellung auf den Kopf drückte. Er hätte das auch sein lassen können. Oder in die Hände klatschen. Denn der eigentliche Schalter, der das Bild auf den müden 6.000 bis dato verkauften Farbfernsehern bunt werden ließ, wurde von unsichtbaren Technikern gedrückt. Oberingenieur Gerhard Stump, der die erste Farbübertragung technisch leitete, war mit einem 2,5 Millionen Mark teuren Ü-Wagen nach Berlin gekommen: „Da konnten wir“, so Stump, „für Brandts Knopf nur noch zwei Mark fünfzig ausgeben.“ Eigentlich sollte die Zeremonie mit einem schnöden Klingelknopf abgewickelt werden. SFB-Chefrequisiteur Karl Heinz Rupp schleppte jedoch ein großes, repräsentatives Schaltgerät an, dessen Farbe erst erkennbar wurde, nachdem es gedrückt ward: rot. Der Schritt hin zur vorläufigen Vollendung der Fernsehtechnologie war getan: Die Cartwrights ritten farbig. [...]
Mitte der sechziger Jahre war der deutsche Gerätemarkt allmählich gesättigt – was sogar zur vorübergehenden Kurzarbeit geführt hatte. Vor Willys Knopfdruck war ein europaweiter industriepoliticher Grabenkrieg um die Farbnorm vorausgegangen. NTSC war das störanfälligste System (Spitzname „Never the same colour“). Als das SECAM-System ins Hintertreffen geriet, sicherten sich die Franzosen klammheimlich durch wirtschaftliche Zusatzversprechungen den Ostmarkt. Der Rest der europäischen Staaten entschied sich für das störungsfreie PAL-System.
Beim Verkauf der Endgeräte ignorierte Neckermann bald die Preisabsprache der Industrie (2.500 Mark) und entfachte mit 1.840 teuren TV-Geräten den Preiskrieg. Wegen des auf Studioseite immens hohen Kostenaufwands wurde das bunte Programmangebot von ARD und ZDF bis zum Herbst 1968 auf je vier Stunden pro Woche beschränkt. Ab 1970 waren „Tagesschau“ und „Heute“ farbig. Die Umstellung des Sendebetriebes kostete allein die ARD bis 1972 (als nahezu alle Sendungen in Farbe ausgestrahlt wurden) rund 160 Millionen Mark.
Erst die Farbe führte zur eigentlichen Kommerzialisierung des Fernsehens. Schon Jahre zuvor prozessierten Knorr und Maggi, wer von ihnen Rot und Gelb auf den Packungen verwenden darf. Mit dem auf Color-TV basierenden Blue-box-Farbstanzverfahren wurde zudem eine neue Dimension der Bildmanipulation entwickelt. Gleichzeitig wurde die Kreativität des Regisseurs beschnitten zugunsten des Technikers, der bestimmte, was technisch machbar war. Das 4 : 3-Format etablierte beim TV-Film eine auf die Bildmitte konzentrierte Ästhetik, die wegen mangelnder Auflösung auf Totalen zugunsten häufiger Großaufnahmen verzichtete.
Mit der Einführung der Farbe sank beim Zuschauer die Abstraktionsschwelle, so daß Fernsehen in der Folge weniger als Ensemble inszenierter Bildwelten denn als unmittelbare Wirklichkeit erachtet wurde. Die Gewalt nahm zu und wurde realistischer. Da galt es den Anfängen zu wehren. Nach dem Einspruch Heiner Geißlers (CDU) wurde 1970 „Schweinchen Dick“ wegen zu großer Aggressivität und Brutalität aus dem ZDF-Programm geschmissen. Roberto Blanco aber sah in der bunten Television die Chance zur Völkerverständigung: „Jetzt braucht Ihr uns Farbige.“ Manfred Riepe
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