■ Die geschlagenen „Fortschrittlichen“ ohne Orientierung
: Und Italiens Linke? Ja, wo bleibt sie?

Daß der Wahlkampf für Italiens neues Parlament auf Grund des neuen Mehrheitswahlrechts vorwiegend über die Medien ausgetragen würde – seit Privat-TV-Oberherrscher Silvio Berlusconi höchstpersönlich mitmischte, war das nicht nur Eingeweihten klar; und gerade die Linke hat sich unentwegt darüber ausgelassen.

Doch was geschah dann? Berlusconi nutzte diese Lage voll aus, war mit strahlendem Zuversichtslächeln und zwar uneinlösbaren, aber wirkungsvollen Versprechen zu sehen und zu hören. Der „progressive Pool“ hingegen stellte so ziemlich die erprobtesten Anticharismatiker der diversen Gruppierungen an die Spitze. Der Chef der poolführenden Linksdemokraten, Achille Occhetto, hätte allenfalls einen Wettbewerb mit dem Oberhaupt der „Volkspartei“, Martinazzoli, gewinnen können – um das sauertöpfischste Gesicht der Nation. Die übrigen Links-Grün-Führer präsentierten sich mit Auftritten zwischen Tic-haftem Augenzwinkern und spastischem Fußwippen. Wer, außer verbohrten Altkommunisten und ein paar unentwegten Grünen, mochte in diesem Beerdigungsclub seine Stimme abliefern?

Natürlich ist die Niederlage nicht ausschließlich den Trauergesichtern der Pool-Führer zuzuschreiben. Doch schon daß die Linksdemokraten noch immer von den beiden stärksten Figuren der verstorbenen KP und damit von Symbolfiguren der alten Republik repräsentiert werden, zeigte den Mangel nicht nur an Instinkt, sondern auch an neuer Programmatik.

So, wie die Dinge stehen, wird sich daren so schnell auch nichts ändern. Zwar wird Occhetto wohl seinem Vize, D'Alema, weichen müssen. Der ist zwar erst 45 und vermittelt sich wesentlich offener und intelligenter. Doch er bringt auch weitere Handikaps mit: erstens ist er, trotz seiner Jugend, bereits zu Berlinguers Zeiten eine große Nummer gewesen, steht also vielen wiederum für die alte KP, und zweitens hat er wegen unklarer Techtelmechtel mit Wirtschaftsführern Strafverfahren zu fürchten.

Bliebe ein Neuansatz über das Programm. Doch gerade das Programmachen haben die Linken gründlich verlernt – zu lange haben sie sich die Füße an der Empfangshalle des Regierungssitzes wund gestanden und gehofft, durch irgendein gnädiges Wunder, nicht aber durch eigene Arbeit hineinzukommen. „Sinistra anno zero“ titelte Il Manifesto. Es steht zu fürchten, daß sie, die Linke, nicht im Jahre Null lebt, sondern noch immer beträchtlich unter dieser Null. Werner Raith