Kaum Kapitalisten in Bulgarien

Noch sind in dem mittelosteuropäischen Land so gut wie keine Betriebe verkauft worden / Regierungspolitiker bremsen Privatisierung  ■ Aus Sofia Keno Verseck

Über die Privatisierung der staatlichen bulgarischen Fluggesellschaft ist derzeit nichts in Erfahrung zu bringen. Die Vizechefin der Privatisierungsagentur, Katia Georgieva, verweist den um Information bemühten Besucher an den zuständigen Direktor von „Balkan Airlines“. Doch dieser erklärt, er habe gerade seinen Posten verloren, wovon Angestellte der Agentur wiederum nichts wissen. Die Pressesprecherin der Fluglinie darf ihrerseits, wie sie sagt, ohne Genehmigung des angeblich arbeitslosen Direktors keine Informationen preisgeben.

Längst hätten „Balkan Airlines“ (Jahresumsatz: rund 80 Millionen Dollar) einen neuen Eigentümer haben sollen, war das Unternehmen doch einst Musterprojekt bulgarischer Privatisierungsvorhaben und als solches in Broschüren und Anzeigen ausgiebig angepriesen worden. Bereits 1992, im Rahmen des ersten Privatisierungsprogrammes, zählte es zu den Firmen, die der Staat am ehesten zu verkaufen hoffte. Ausländischen Eigentümern wurden maximal 49 Prozent der Aktien des auf einen Wert von 80 Millionen Dollar geschätzten Unternehmens angeboten. Mindestens 40 Prozent sollten beim Staat bleiben, der Rest an die rund 4.000 Angestellten verkauft werden. Zu diesen Bedingungen scheint sich bislang jedoch kein Käufer für die 50 alten sowjetischen und ein paar neuen Westflieger gefunden zu haben. Aber auch die Bulgaren scheinen nach der exemplarisch unglücklichen Ehe von Air France mit der tschechischen Fluggesellschaft CSA vorsichtiger geworden zu sein.

Der Fall „Balkan Airlines“ illustriert die Schwierigkeiten, mit denen der Privatisierungprozeß in Bulgarien konfrontiert ist. Sie beginnen bei ungeklärten Eigentumsfragen und fehlenden Gesetzen und hören beim Krieg im ehemaligen Jugoslawien auf, der Bulgarien von Europa weitgehend abgeschnitten und das Interesse ausländischer Investoren deutlich gesenkt hat. Die meisten Bulgaren wiederum haben kein Geld, um sich Unternehmen zu kaufen, die derweil, betroffen von Marktverlusten auf dem Gebiet des Ex-Comecon, dahinsiechen.

Doch so manches dieser Probleme hätte sich wohl lösen lassen, wäre Privatisierung nicht vor allem Politik. Die Arbeitslosigkeit lag Ende vergangenen Jahres bei 17 Prozent und war damit die höchste unter allen Ex-Comecon-Ländern. Die Inflationsrate stieg zwar nicht über die üblichen 80 Prozent hinaus an, sank aber auch nicht. Meinungsumfragen haben ergeben, daß große Teile der bulgarischen Öffentlichkeit unter Privatisierung in erster Linie drohende Arbeitslosigkeit verstehen.

So wird denn die Arbeit der Privatisierungsagentur von Auseinandersetzungen in ihrem Aufsichtsrat blockiert, in dem Parteipolitiker das Sagen haben. Im August 1993 mußte der Chef der Agentur, Alexander Boshkov, ein entschlossener Reformer, den Hut nehmen, weil seine Bemühungen um eine rasche Privatisierung der sozialistischen Administration und der von ihr unterstützten Regierung gegen den Strich gingen. Von rund 3.000 Staatsbetrieben konnten 1993 lediglich 52 mittlere und 13 größere privatisiert werden.

Mit Änderungen im Privatisierungsgesetz soll nun das Jahr 1994 zum „Jahr der großen Privatisierung“ werden, wie es offiziell heißt. Nachdem das bulgarische Parlament sich vor zwei Jahren ausdrücklich gegen eine Massenprivatisierung ausgesprochen hatte, sieht das neue Konzept vor, das Vermögen von 300 Staatsunternehmen an die Bevölkerung zu verteilen und 300 weitere Unternehmen in 10 Investmentfonds einzugliedern, an denen Anteile erworben werden können. Der Wert dieser Unternehmen macht nach Schätzungen der Privatisierungsagentur zwischen 15 und 25 Prozent des gesamten Staatsvermögens aus. Eine weitere Gesetzesänderung spricht aber eher gegen das „große Privatisierungsjahr“. Die Agentur soll in ein Ministerium umgewandelt werden, um sie besser kontrollieren und der Regierung unterordnen zu können. Zu erwarten ist davon eine weitere Verlangsamung der Eigentumstransformation. Während der ersten Lesung im Januar wurden die Änderungen vom Parlament bereits verabschiedet, die Abschlußlesung soll dieser Tage stattfinden.

Derweil füllt ein Skandal um den Verkauf von fünf Sofioter First-class-Hotels die Spalten der bulgarischen Presse. Glaubt man den Gerüchten, die sich darum ranken, dann verläuft deren Privatisierung folgendermaßen: Das Management hält die Auslastung der Zimmer absichtlich niedrig, das Hotel wird so zum Verlustunternehmen und erzielt nur einen niedrigen Schätzpreis. Das Management hat bereits einen ausländischen Partner an der Hand und legt der Privatisierungsagentur ein Kaufangebot vor ...